Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
Lauras Bier nach Rezepten aus Yorkshire. Und Chasseur schnappte sehr viel freudiger nach Käserinden denn nach Ratten.
»Aber ich muss bald zurück«, kündigte Ida unglücklich an, nachdem sie zehn ruhige Tage auf der Farm der Redwoods verbracht hatte.
Sie war nicht mehr so zufrieden und ausgeglichen gewesen, seit sie Raben Steinfeld hatte verlassen müssen – und auch da hatte sie sich zwar sicher, doch nicht wirklich gebraucht und geschätzt gefühlt. Laura dagegen wurde nicht müde, sie für ihr Geschick in der Käserei zu loben, und die Redwood-Brüder bedankten sich wohlerzogen für jede Mahlzeit, die ihnen die Frauen vorsetzten. Ida bewunderte Lauras und Josephs freundlichen, liebevollen Umgang miteinander. Diese Eheleute hatten einander wirklich gern, konnten miteinander reden und hatten vieles gemeinsam. Wenn Ida ihnen zusah, musste sie oft an Karl denken. Ob es so gewesen wäre, wenn sie ihn geheiratet hätte? Hätten auch sie noch nach Jahren miteinander lachen können? Aber hatte man in Raben Steinfeld oder auch in Sankt Paulidorf überhaupt jemals miteinander gelacht?
»Wirst du dich allein nicht wieder fürchten?«, sorgte sich Laura. »Ja, sicher, du weißt jetzt, dass es unbegründet war. Doch das wusstest du vorher eigentlich auch schon.«
Ida biss sich auf die Lippen. »Es kam irgendwie über mich«, murmelte sie. »Eigentlich glaube ich gar nicht an Geister. Und es gibt da ja auch niemanden, der mich überfallen könnte. Ich hab mich einfach hilflos gefühlt!«
Ida wunderte sich darüber, dass Laura plötzlich strahlte. »Klar! Sicher!«, erklärte die Freundin eifrig. »Das ist es! Dass ich darauf nicht gekommen bin!« Laura lief geschäftig auf einen Schrank in ihrer Küche zu und begann, darin zu suchen. »Du fühlst dich hilflos, daher kommt die Angst! Wenn du dagegen gar nicht so hilflos wärst … Mir ging das auch schon mal so, Ida. Auf der Nordinsel, da war eine Walfangstation in der Nähe. Lauter raubeinige Kerle. Aber Joseph und die anderen mussten mich manchmal allein lassen. Und da haben sie mir das hier gekauft!«
Triumphierend förderte sie eine Kiste zutage und öffnete sie. Verblüfft starrte Ida auf die elegante kleine Waffe, die darin mit vielfältigem Zubehör auf blauem Samt lag.
»Was ist das?«, fragte sie.
»Ein Revolver!«, erklärte Laura stolz. »Ein Colt! Ein bisschen kompliziert zu laden, aber wenn man das einmal geschafft hat, dann hat man fünf Schuss, ohne nachladen zu müssen. Das Ding ist besser als die alten Waffen. Du kannst ihn laden und in die Küchenschublade tun – oder in die Rocktasche, wenn du dich überall sicher fühlen willst. Und wenn dir dann einer was will: peng!«
Während sie sprach, nahm sie den Colt aus der Kiste und richtete ihn spielerisch auf irgendein Ziel jenseits des Küchenfensters. Sie drückte nicht ab, Ida fuhr dennoch zusammen.
»Kann man sich damit nicht verletzen?«, fragte sie ängstlich.
Laura zuckte die Schultern. »Süße, mit einem Küchenmesser kann man sich auch verletzen. Oder wenn du mit heißem Wasser hantierst. Du musst einfach sorgsam sein und wissen, wie es geht. Komm, ich zeig dir, wie das Ding geladen wird.«
Laura wies Ida einen Stuhl an ihrem Küchentisch an und führte ihr minutiös vor, wie man Schwarzpulver in die Pulverkammer einfüllte, dann eine Einlage und schließlich die Kugeln einsetzte.
»Die Kugeln gießt man selbst«, erklärte sie und zeigte ihr die entsprechenden Gießzangen, die ihr Waffenset enthielt. »Das ist ganz einfach. So, und jetzt noch die Zündhütchen, und dann setzen wir die Trommel ein. Sie ist nun feuerbereit, Ida – du könntest fünf böse Geister damit erledigen …«
Ida lachte beklommen.
»Komm, wir probieren es mal!«, lud Laura sie ein. »Himmel, die Jungs werden einen Heidenschrecken bekommen, wenn wir jetzt draußen herumknallen. Aber du musst es wenigstens mal gemacht haben, bevor ich dir die Waffe mitgebe.«
»Du willst sie mir mitgeben?«, fragte Ida nervös. »Ich kann doch nicht schießen. Und du brauchst sie sicher selbst.«
Laura schüttelte den Kopf. »Kindchen, ich brauche sie ebenso wenig, wie du sie brauchen wirst. Da oben im Fort besteht keinerlei Bedrohung – nur in deinem Kopf. Und dagegen hilft es fabelhaft, so ein kaltes Metall zur Hand zu haben, zu spüren, wie es zwischen deinen Fingern warm wird. Wie es auf deiner Seite ist, Ida! Es geht um das Gefühl. Es geht darum, nicht hilflos zu sein.«
Sie nahm den Revolver mit nach draußen, und
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