Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
hatte, standen die Käufer für das von ihnen erstandene Land nicht gerade Schlange. Das finanzielle Desaster wurde zum Glück dadurch abgewendet, dass ein Captain Rudyard Butler gleich drei Parzellen kaufte, er war mit Walfang an der Westküste reich geworden. Wobei er sich nicht selbst als Walfänger verdingte – er befehligte einen Segler, der die Walprodukte nach England brachte. Nun hatte er sich in England verheiratet und plante, sesshaft zu werden. Und da in der Gegend um Port Victoria auf Dauer eine Stadt geplant war – angeblich warb die anglikanische Kirche in England um Siedler, und Butlers junge Frau gehörte dieser Kirche an –, entschloss er sich für die Plains. Der Captain nahm Grundstücke direkt am Fluss, sodass die spätere Stadt per Boot schnell erreichbar sein würde.
»Die Frau ist eine richtige Lady!«, schwärmte Gibson. »Ein selten schönes Mädchen, wenngleich etwas dünn …«
»Und dieser Butler will ihr jetzt einen Palast in die Plains stellen«, fügte Ottfried unbeeindruckt hinzu. »Heuert schon Arbeiter an, lässt Bausteine kommen … Das wird ein großes Ding. Hoffentlich nicht zu viel für unsere Wilden da oben.«
»Die Ngai Tahu werden glücklich sein«, meinte Cat. »Jedenfalls, wenn es auch für sie Arbeit auf dem Bau gibt.«
Gibson zuckte die Achseln. »Die soll’s wohl geben, und ein bisschen Maori kann der Captain auch. Jedenfalls fürchtet er sich nicht vor blau tätowierten Kerlen. Und wir haben unseren Einsatz dreifach raus!«
Tatsächlich fielen für jeden der beiden Männer zweihundertsiebzig Pfund Gewinn an – dreihundert abzüglich des Geldes für die Handelswaren. Genau der Preis, den Ottfrieds Vater damals für seine Parzelle in Sankt Paulidorf bezahlt hatte – und fünfmal so viel, wie Te Kahungunu und sein Stamm erhalten hatten.
»Und die nächsten Verkäufe sind dann Reingewinn«, freute sich Ottfried.
Die allerdings ließen auf sich warten. Von Purau aus war es unmöglich, Siedler anzusprechen. In Port Victoria traf man nur auf Glücksritter und Seeleute.
»Ich könnt’s mit Wellington versuchen«, meinte schließlich Gibson.
Ottfried dachte eher an Nelson. Auf ihren Reisen hatten sie gehört, dass da inzwischen weitere deutsche Siedler eingetroffen waren. Wenn sie ebenso enttäuscht worden waren wie die Auswanderer der Sankt Pauli und verzweifelt auf Landzuteilungen warteten, konnten sie der New Zealand Company vielleicht doch noch einen Teil des gezahlten Geldes wieder abnehmen, um dann in den Plains zu siedeln!
Schließlich kamen die Männer überein, gemeinschaftlich nach Norden zu reisen. Ottfried würde sein Glück in Nelson versuchen, Gibson von dort aus ein Schiff auf die Nordinsel nehmen. Ida und Cat sahen sie aufatmend ziehen.
»Glaubst du, sie werden Erfolg haben?«, fragte Ida nervös.
Cat zuckte die Schultern. »Wenn nicht, könnt ihr immer noch eine der Parzellen selbst behalten und eine Farm aufbauen. Geld für den Neuanfang habt ihr jetzt auch. Ja, ich weiß, das ist nicht das, was Ottfried sich vorstellt. Aber ein Ausweg ist es allemal.«
Ida presste die Lippen zusammen. Eine Farm im äußersten Winkel der Plains war inzwischen auch nicht mehr das, was sie sich vorstellte. Ihr graute es vor einem Neuanfang ähnlich dem in Sankt Paulidorf, nur diesmal allein mit Ottfried und ihren Kindern.
Dann stöhnte sie auf, das Baby in ihrem Bauch bewegte sich heftig.
»Hör auf, du …«
Sie biss sich auf die Lippen. Nein, sie durfte nicht mit dem Kleinen schimpfen. Es konnte ja nichts dafür, dass seine Mutter es hasste.
Ida war die Erste, bei der an einem regnerischen Spätherbsttag – Ottfried und Gibson waren noch im Norden – die Wehen einsetzten. Sie hatte eben den primitiven Webstuhl in Gang gesetzt, um ihre hübsche bunte Wolle zu Kleiderstoff zu verweben, als ein scharfer Schmerz durch ihren Leib fuhr. Idas erster Impuls war Angst. In den letzten Wochen hatte sie sich gut gefühlt, aber jetzt war da Schmerz, und es würde noch schlimmer kommen. Sie hatte es während der ganzen Schwangerschaft verdrängt, nun stand ihr jedoch das Bild ihrer Mutter im Kindbett vor Augen, im Kindbett, das ihr Sterbebett werden sollte. Und sie dachte an das winzige Baby, das sie mit so viel Mühe am Leben erhalten hatte, nur damit es seiner Mutter wenige Monate später folgte. Nein, sie wollte kein eigenes Kind! Von ihr aus konnte das Baby bleiben, wo es war!
Ida versuchte, den Schmerz zu ignorieren. Sie stand mühsam auf und wischte die
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