Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
jede Kleinigkeit über die Lebensweise der pakeha erfahren zu wollen. Also ließ er sich von Chris die Funktionsweise der Landmaschinen erklären, streichelte ungeschickt und ehrfürchtig über das Fell der Pferde und sah fasziniert zu, wie ein Mann aus seinem Stamm die Kuh der Fenroys molk. Er unterstützte ausdrücklich die Arbeit seiner Stammesmitglieder für Jane und Chris und akzeptierte ihre Entlohnung mit Saatgut und Decken, statt Geld zu verlangen. Chris dankte Gott dafür, denn erstens hatte er kein Geld, und zweitens wäre es ihm ohne Te Haitaras Fürsprache kaum gelungen, die Mädchen und Frauen, die Jane brüskiert hatte, zu einem zweiten Versuch in ihren Diensten zu bewegen. Für Te Haitara war Chris Fenroys Farm ein Wunderland moderner Errungenschaften, und wenn seine Stammesmitglieder ihm etwas davon zeigen und erklären konnten, lobte er sie überschwänglich. Er inspizierte den Herdofen, auf dem die von Jane zur Köchin erklärte Arona die Speisen zubereitete, und den Kamin, den Reka anheizte und der so viel mehr Wärme spendete als die offenen Feuer der Maori. Vor allem aber bemühte er sich darum, Englisch zu lernen. Und er war der Einzige, der das mit regelrechten Lektionen bei Christopher versuchte, statt einfach Worte und Sätze nachzusprechen wie die anderen Maori. Jane musste lachen, als sie ihren Mann einmal dabei ertappte, die von ihr mühsam ausgearbeitete Grammatik als Unterrichtsmaterial zu verwenden.
»Da scheint sich ja noch einer nicht einfach auf eine neue Sprache einlassen zu können«, höhnte sie. »Nachher bringt er dir noch Grammatik bei!«
Jane jedenfalls meinte seitdem, eine gewisse Seelenverwandtschaft mit dem Häuptling zu spüren, der sie stets ehrerbietig ansprach und Floskeln wie How do you do, Madam? an ihr erprobte. Inzwischen fand sie auch seine Stammestätowierungen nicht mehr befremdlich. Man gewöhnte sich daran, wenn man nur von Maori umgeben war.
Dennoch erschrak sie ein wenig, als sie ihn eines Tages völlig unbeweglich und offenbar in Gedanken versunken am Ufer des Waimakariri sitzen sah. Jane war flussaufwärts gewandert, wie sie das fast jeden Tag tat, seit der Sommer begonnen hatte. Sie machte sich zwar nichts aus Spaziergängen, doch sie war eine große Freundin regelmäßiger Körperhygiene. Sie hatte die modernen Bäder in den Häusern der Beits in Hamburg und Nelson genossen. Hier auf der Farm gab es dergleichen natürlich nicht. Zwar war ein Badezuber vorhanden, aber kein Knecht, der ihn hätte füllen können. Christopher hatte nur gelacht, als Jane vorschlug, einen der Maori-Helfer damit zu betrauen.
»Jane, bitte, ich möchte nicht, dass die Einheimischen uns für verrückt halten! Wenn du baden willst, dann tu es im Fluss.«
In ihrem ersten Sommer und dann erst recht im folgenden Winter hatte Jane das natürlich als unzumutbar abgelehnt und sich grummelnd mit in warmes Seifenwasser getauchten Tüchern gereinigt. Jetzt, in ihrem zweiten Sommer, hatte sie den Fluss für sich entdeckt. Es war erfrischend hineinzutauchen, und es gab verschwiegene Stellen, an denen die Wedel von Farnbäumen wie Vorhänge über dem Wasser hingen. Jane konnte sich unbesorgt entkleiden und in stillen, kaum bewegten Buchten ohne neugierige Blicke herumplantschen. Sie liebte das grüne Halbdunkel an ihrer Lieblingsbadestelle, das selbst bei strahlendem Sonnenschein herrschte, als verbreitete eine Tiffanylampe ihr heimeliges Licht, und sie hatte aufgehört, sich vor den Insekten zu fürchten, die dort herumschwirrten.
Jane neigte nicht zur Hysterie. Sie mochte keine Wetas und keine Fliegenlarven, aber sie empfand auch keinen Ekel und keine irrationale Angst. In Neuseeland gab es keine giftigen und gefährlichen Tiere. Das hatte man ihr gesagt, und das glaubte sie. Und schließlich fand sie sogar einen gewissen Gefallen an dem Fußweg, der von der Farm zu ihrer Lieblingsstelle führte. Jane versuchte, die Bäume zu identifizieren, die ihr dabei Schatten spendeten, wie die Cabbage-Palme und die Südseemyrte, von den Maori Manuka genannt – sie gestattete sich sogar, ein paar der Pflanzen hübsch zu finden, wie etwa eine Vergissmeinnichtart, die am Flussufer blühte. Auf jeden Fall schöner als der auf der Farm allgegenwärtige Rata! Jane sog den Duft der Blüten ein und freute sich an ihrer Farbenpracht, aber sie kam nicht auf den Gedanken, sie zu pflücken und auf der Farm in eine Vase zu stecken. Auch an Dekoration verschwendete die junge Frau keine Energie.
Nun saß
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