Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
hätten die tohunga seines Stammes das nicht ohne vorhergehenden Vortrag eines karakia gebilligt. Jane lehnte sich an den Stein.
»Geld«, sagte der Häuptling knapp. »Stamm will kaufen Dinge. Dinge wie haben pakeha .«
Jane nickte. »Ja. Weiß ich. Aber ich finde das auch gar nicht verwerflich. Gut, heute ist es ziemlich warm, da ist Ihr … hm … Rock … vielleicht angenehmer als mein Kleid. Im Winter frieren Sie jedoch damit. Und diese Flachsdecken und Blusen sind ja ganz hübsch, dem Klima allerdings nicht unbedingt angemessen. Ganz abgesehen davon, dass niemand gern nur Süßkartoffeln isst. Anstelle Ihrer Leute hätte ich auch gern Decken und Saatgut und Vieh und all das.«
»Ist nicht … wie sagen? Ver-weff-lich? Schwere Wort. Kann nicht einfach sagen › schlecht ‹ ? Das leichtes Wort. Also: Ist nicht schlecht, nur teuer. Fehlt Geld. Ich fragen Geister: Wie kriegen Geld?«
Jane musste lachen. »Das fragt sich mein Mann auch immer«, bemerkte sie. »Vielleicht sollte ich ihn mal herschicken.«
Der Häuptling sah sie ganz ernst an. »Ja. Ich schon fragen Chris. Er auch nicht weiß.« Er zerpflückte die Raupo-Blätter.
Jane kaute auf ihrer Lippe. Bisher hatte ihr nie ein Mann zugehört, wenn sie über Geld sprach. Zumindest hatte man sie nie ernst genommen. Vielleicht lohnte sich hier ja ein erneuter Versuch.
»Passen Sie auf, ariki «, setzte sie an. »Das mit dem Geld ist so: Man tauscht es ein. Gegen Gegenstände oder gegen Arbeit. Arbeit kommt für Sie nicht infrage, der Einzige, der hier Arbeit zu vergeben hat, ist mein Mann, und der hat selbst kein Geld. Außerdem verdient man nicht sehr viel damit, sich bei irgendjemandem zu verdingen. Ein Kaufmann verdient deutlich mehr.«
»Was ist › Kauffamm ‹ ?«, fragte der Häuptling. Er lauschte aufmerksam.
»Kaufmann. Das ist jemand, der Sachen kauft und verkauft. Ein anderes Wort ist Händler.«
»Händler wie Ca-pin-ta!«, freute sich Te Haitara. »Tom Ca-pin-ta. Kommen mit Wagen, uns wollen verkaufen Dinge. Decken, Kleider, alles was haben pakeha . Aber will haben Geld.«
»Sicher«, sagte Jane. »Verschenkt wird nichts. Sehen Sie, ariki , dieser Carpenter stellt die Waren nicht selbst her. Der kauft sie irgendwo, weil er meint, er könnte sie anderswo weiterverkaufen. Also müssen Sie das erst mal andersrum machen: Sie verkaufen Carpenter etwas, das er haben möchte. Er gibt Ihnen dafür Geld, und Sie kaufen für dieses Geld wieder alles, was Ihr Stamm will.«
Der Häuptling runzelte die Stirn. »Warum dann nicht gleich tauschen?«, fragte er. »Aber egal. Wir nicht haben Sachen zu verkaufen. Nichts, was will pakeha .«
Jane schürzte die Lippen. »Da wäre ich mir gar nicht so sicher«, meinte sie. »Es geht da um Angebot und Nachfrage. Um Begehrlichkeiten und Preisgestaltung. Und Reklame. Sie müssen mal Stilling lesen und Adam Smith. Ach vergessen Sie’s …« Jane lachte, als der Häuptling sie jetzt völlig verständnislos anstarrte. »Sagen wir: Sie müssen einfach die richtigen Geister auf Ihre Seite bringen. Wenn dieser Händler vorbeikommt – da hat bislang Chris für Sie übersetzt, ja?«
Der ariki nickte. »Oder wir gemacht selbst. Braucht nicht viel Worte machen Handel.«
Jane schüttelte den Kopf. »Schon falsch!«, erklärte sie. »Passen Sie auf, ich komme morgen im Dorf vorbei. Und wir schauen mal, was Sie zu verkaufen hätten. Und dann müssen wir gezielt mit der Herstellung von Waren anfangen, sonst gibt es nachher eine Nachfrage, aber kein Angebot. Und wenn der Händler kommt, übersetze ich!«
KAPITEL 2
Jane und die willigen, aber weitgehend verständnislosen Maori waren bereit, als der Händler Carpenter zwei Monate später seinen Planwagen in das marae der Ngai Tahu lenkte. Eigentlich eher, um ein kostenloses Essen, eine sichere Schlafmöglichkeit und vielleicht auch ein bisschen Liebe in den Armen einer willfährigen Frau zu finden, als um wirklich Geschäfte zu machen. Mehr als der Tausch eines Messers gegen ein paar Heilkräuter oder Saatgut gegen etwas Teebaumöl hatte sich bei diesem Stamm nie ergeben. Allenfalls wechselte auch noch billiger bedruckter Stoff als Geschenk in die Hände der nächtlichen Gespielin. Diesmal sah es jedoch anders aus. Anstelle des freundlichen Chris Fenroy, mit dem Carpenter immer gern ein wenig plauderte, erschien am Morgen nach der Ankunft des Händlers eine stattliche junge pakeha- Frau im Dorf, förmlich in ein dunkelrotes Kostüm gekleidet, das dicke braune Haar
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