Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
es war kein Unfall – das wurde mir heute klar. Es stand schon damals ein Plan dahinter! Ottfried wollte die Schießerei auslösen, er wollte den Kampf zwischen Maori und pakeha . Hätte Arthur Wakefield die Ngati Toa ausgelöscht, dann wäre der Weg in die Wairau-Ebene frei gewesen!«
Chris nickte. »Und es hätte ja auch beinahe geklappt! Es stand doch auf Messers Schneide. Colonel Wakefield war drauf und dran, Soldaten zu schicken. Ohne Tuckett und mit einem weniger besonnenen Gouverneur auf der Nordinsel …«
»Das war allerdings nie und nimmer der Plan von Ottfried Brandmann«, warf Karl ein und nahm hin, dass ihn alle misstrauisch ansahen, weil er den Schützen verteidigte. »Ich kenne Ottfried von klein auf. Und weiß Gott, ich konnte ihn nie besonders leiden! Aber so einen perfiden Plan, einen so komplizierten Plan, den hätte er sich niemals ausdenken können! Erst recht nicht damals. Ich weiß, ihr kennt ihn als Glücksritter und Spieler und Gauner. Aber damals, vor der Gründung von Sankt Paulidorf, da war er ein unbedarfter, frömmlerischer Junge aus Raben Steinfeld. Ein bisschen angeberisch, ein bisschen verschlagen, jedoch kein eiskalter Mörder. Nein, wenn hinter der Wairau-Affäre ein Plan steckte, dann hatten den andere ausgeheckt.«
»Brandmann und Lange«, sagte Cat, nahm einen weiteren Schluck Whiskey und gab die Flasche dann an Chris weiter. »Sein Vater und Idas Vater. Die ihren Traum von einem neuen Raben Steinfeld am anderen Ende der Welt wahr machen wollten – egal, um welchen Preis. Sie haben Ottfried nach Wairau geschickt, mit einer Muskete. Ida hat es mir erzählt, sie haben ihm die Waffe extra gekauft. Und sicher mit genauen Instruktionen.«
»So genau mussten die gar nicht sein«, fügte Karl hinzu, der an seine eigenen ersten Erfahrungen mit der Waffe dachte, die man ihm damals gegeben hatte. Es wäre ihm absolut unmöglich gewesen, sie gezielt abzufeuern, und auch Ottfried hatte in ein oder zwei Tagen sicher nicht gelernt, zuverlässig zu treffen. »Wahrscheinlich wollte er Te Ronga gar nicht erschießen. Der Auftrag bestand vielleicht einfach darin, die Waffe im richtigen Moment abzufeuern. Es hätte gereicht, in die Luft zu schießen, um diesen Tumult zu entfesseln.«
»Es wäre sogar noch besser gewesen«, meinte Chris. »Denn dann hätte Te Rauparaha Captain Arthur Wakefield und seine Leute nicht getötet. Es wären ein paar Schüsse gefallen, die Maori hätten die Engländer und die deutschen Siedler aufs Schiff getrieben und sich über sie lustig gemacht. Und Wakefield wäre erbost mit allen verfügbaren Soldaten zurückgekehrt und hätte das Dorf dem Erdboden gleichgemacht – ohne den Gouverneur in Auckland zu informieren.«
»So starben Te Ronga …«, sagte Karl leise und rieb sich die Augen, »… und Wakefield und seine Leute. Mein Gott, wie muss sich Ottfried dabei gefühlt haben! Wie muss er sich all die Zeit dabei gefühlt haben … Ida und ich haben einmal darüber gesprochen, was ihn so verändert haben kann, warum er sie so schlecht behandelt hat, warum er trank. Dies könnte alles erklären. Es muss ihn gequält haben … Mein Gott, selbst ich habe das Bild noch vor mir. Von Te Ronga, von Te Rangihaeata, der sich über sie beugte und die Totenklage sang. Wie muss es da erst für Ottfried gewesen sein? Kein Wunder, dass er Whiskey brauchte, um die Bilder zu vertreiben.«
Cat suchte erneut nach der Flasche. Sie war bisher nie betrunken gewesen, aber sie konnte sich vorstellen, es an diesem Tag zu werden. »Und jedes Mal, wenn er seine Frau ansah«, fügte sie leise hinzu, »hatte er die Tochter des Mannes vor sich, der für all das verantwortlich war. Ida hatte keine Chance. Er konnte sie nicht lieben. Nicht einmal achten. Und jedes Mal, wenn er mich ansah …«
Sie kämpfte mit den Tränen. Zumindest Chris wusste, was sie sagen wollte: Jedes Mal, wenn er Cat ansah, hatte er die Tochter der Frau vor sich, die er getötet hatte.
Chris Fenroy legte den Arm um sie. »Nicht weinen, Liebes«, sagte er zärtlich. »Jetzt ist alles vorbei. Für dich schon lange und jetzt auch für Ida.«
Cat schüttelte den Kopf. »Für Ida wird es nie vorbei sein«, flüsterte sie. »Genau wie es für Ottfried nie vorbei war.«
»Es geht ihr nicht gut«, sagte Makutu.
Draußen waren die angespannte Atmosphäre der ersten Konfrontation und dann das förmliche Essen der pakeha mit dem Stamm in ein ausgelassenes Feiern umgeschlagen. O’Malleys Männer flirteten mit den
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