Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
Schatten am nächtlichen Horizont abzeichnete.
»Es sah wirklich ein bisschen aus wie ein Kanu«, sagte er zärtlich. »Deshalb ist einer der Maori-Namen für die Südinsel Te waka a Maui, Mauis Kanu. Kannst du es dir nicht vorstellen, Ida? Können wir die Reise nicht noch einmal machen? Fühlst du, wie das Meer uns wiegt, siehst du die Sterne, die uns den Weg weisen? Den Mond, der uns leuchtet?«
Ida erwachte nicht, aber sie schien auch nicht mehr gar so unbeteiligt und leblos in Karls Armen zu liegen. Sie schmiegte sich an ihn, als er sich mit ihr an ein verlöschendes Feuer vor Makutus Haus legte. Karl wiegte sie in seinen Armen, während Kunari im Haus Schutz gegen böse Geister erbat. An einem anderen Feuer sangen ein paar Mädchen ein Liebeslied, und von irgendwo hörte man eine irritierend fremdartige Version von The Maids of Mourne Shore , geblasen auf einer Putorino.
Karl spürte das sommerlich weiche Gras unter sich und den Boden, der noch die Wärme dieses sonnigen Tages speicherte. Er versuchte, eins mit dem Land und dem Himmel zu werden, wie die Maori Teil von Aotearoa wurden. Er nahm die Silhouette der Alpen am Horizont in sich auf und ließ Bilder der Canterbury Plains in sich aufsteigen: den sich lebhaft seine Bahn suchenden Waimakariri, die Karl immer noch fremdartig scheinenden Nikau-Palmen und Südbuchenwäldchen, die Rata-Sträucher, die Cat so liebte.
»Ich würde gern hier leben«, sagte er leise. »Hier, zwischen den Rata-Büschen, auf Fenroy Station. Mir ist die Farm ans Herz gewachsen. Doch wenn du woanders hinwillst, Ida – ich werde da sein, wo dein Geist und deine Seele sind. Ich suche sie. Ich rufe nach ihnen …«
Irgendwann, als allererstes Morgenlicht die Schatten der Nacht durchbrach, schlief Karl ein, Ida fest im Arm haltend. Cat, die mit Makutu und all den Stammesmitgliedern, die nicht gleich an den Feuern eingeschlafen waren, im Gemeinschaftshaus genächtigt hatte, wollte ihn wecken, als sie etwas später hinausging, um nach ihrer Freundin und den Kindern zu sehen.
»Das kann er doch nicht machen!«, regte sie sich auf. »Sie fiebert, und er zerrt sie raus ins Freie? Und dann schläft er auch noch ein! Wer kümmert sich denn um die Kinder? Und Ida …«
Makutu legte kurz die Hand auf Idas Stirn und lächelte. »Ida hat kein Fieber mehr«, sagte sie, ging dann kurz ins Haus und kam mit einer Decke in der Hand zurück.
»Und die Kinder schlafen noch. Auch Kunari. Sie scheint alle Geister besiegt zu haben.«
Vorsichtig, um die Schlafenden nicht zu stören, breitete die alte tohunga ihre Decke über Karl und Ida. »Weißt du nicht, Poti?«, flüsterte sie. »Wenn wir schlafen und träumen, wandert der Geist. Und diese beiden … Ihre Körper und ihre Seelen sind schon zusammen. Und sein Geist holt den ihren heute heim nach Aotearoa.«
KAPITEL 5
Ida war nicht von ihrem Entsetzen und ihren Schuldgefühlen befreit, als sie ein paar Stunden später in Karls Armen erwachte, aber sie fühlte sich doch besser – vor allem so sicher wie nie, seit sie damals die Sankt Pauli bestiegen hatte. Woher das Gefühl kam, hätte sie nicht sagen können, sie war einfach erleichtert – eine Last schien von ihr genommen. Dann erzählte Cat ihr von ihren Vermutungen um die Ereignisse in Wairau, und Ida vergoss erneut Tränen um Te Ronga und die Männer, die damals ihr Leben verloren hatten, um Cat, die ihre Mutter und ihren Stamm verloren hatte – und auch um Ottfried und ihren Vater. Sie hatte diesen als streng in Erinnerung, sie wusste, dass er nie groß Rücksicht genommen hatte, wenn er meinte, dass etwas gerecht und richtig war. Aber ein ganzes Dorf auszulöschen, Dutzende von Leben zu zerstören, nur um dafür Raben Steinfeld neu errichten zu können …
»Ich bin sicher, er hat Gott um Beistand gebeten«, flüsterte Ida, und das Grauen stand ihr im Gesicht geschrieben. »Er muss völlig verblendet gewesen sein. Und nun ist er … o Gott, wenn das wirklich so war, dann … dann sind sie alle verdammt!«
»Gott hat wahrscheinlich gar nicht hingehört«, tröstete Cat sie gelassen. »Das tut er doch nie.« Sie lächelte. »Außer bei Karl, dessen Gebete wurden wohl heute erhört.«
Karl strahlte vor Glück, seit Ida erwacht war. Er konnte den Blick nicht von ihr lassen, schürte das Feuer, an dem sie immer noch fröstelnd saß, obwohl es schon früh am Morgen wieder warm wurde, brachte ihr Tee und Fladenbrot und schirmte sie erfolgreich vor dem Police Officer ab, der noch mit ihr
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