Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
Maori-Mädchen, die an ihnen das bei Cat gelernte Englisch erprobten, und die Redwoods unterhielten sich mit Jane und Te Haitara über Schafhaltung. Offenbar war nicht mehr die Rede davon, die von Ottfried eingehandelten Tiere zurückzufordern. Wahrscheinlich würden die Brüder sich später eher mit Chris über eine Rückgabe eines Teils der Nachzucht verständigen.
Der Police Officer ergab sich dem Whiskey und der Musik. Die Maori hatten ihre traditionellen Instrumente hervorgeholt, und der musikalische junge Ire erforschte nun den Unterschied zwischen der Putorino und einer Tin Whistle. Korrekt wie er war, hatte er allerdings vorher die Untersuchung zumindest formell abgeschlossen.
»Ich werde natürlich noch mit Mrs. Brandman reden müssen, wenn es ihr Zustand erlaubt«, erklärte er. »Aber wie es aussieht, werde ich der Regierung nahelegen, die Tat als Notwehr beziehungsweise Eingreifen zur Vereitelung eines Verbrechens anzuerkennen. Mrs. Brandman wird nicht belangt werden. Wie geht es ihr denn?«
Eben das wollten Cat und Karl herausfinden, als sie wieder die Hütte betraten, in der Makutu und Kunari über Ida wachten. Karl hatte gehofft, dass der Schlaf die schlimmsten Eindrücke auslöschen und Ida entspannt aufwachen würde. Tatsächlich bewahrheitete sich jedoch Cats Befürchtung. Ida fieberte und kämpfte mit bösen Träumen. Sie warf sich unruhig auf der Matte hin und her, auf die Makutu sie gebettet hatte, und murmelte Unverständliches vor sich hin.
»Sie ist schwanger«, sagte Karl besorgt.
Makutu nickte. »Ich weiß. Das hat Cat mir schon gesagt …«
»Und …«, fragte Karl besorgt, »… wird sie das Kind verlieren?«
Die alte Maori schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht. Der Geist des Kindes ist stark, es will bleiben. Und der Körper der Frau ist stark, er wird das Kind halten.«
Karl beugte sich über Ida, deren Körper ihm so gar nicht stark erschien. Im Gegenteil, im Licht der Öllampe, mit der Makutu zweifellos dank der Handelsbeziehungen zu Carpenter ihre Hütte erhellte, wirkte die junge Frau zerbrechlich wie eine Figur aus Porzellan. Unter der Haut ihres bleichen, eingefallenen Gesichts schien sich jeder Knochen abzuzeichnen. Ihr dunkles Haar war gelöst, schweißfeucht kräuselte es sich leicht über ihrer Stirn. Karl küsste den herzförmigen Haaransatz, den er schon als Kind an ihr bewundert hatte. Er musste an eine Elfe denken oder einen Schmetterling – Ida erschien ihm so anfällig und fragil. Karl fasste nach ihrer Hand, undenkbar, dass sie das kalte Metall einer Waffe umfasst und das Leben eines Menschen ausgelöscht hatte.
»Sie wird doch wieder aufwachen?«, fragte Karl.
Makutu verzog das Gesicht, sodass die moko rund um ihren Mund zum Leben zu erwachen schienen. »Sie fiebert«, sagte sie. »Ihr Körper brennt, denn ihr Geist ist verwirrt. Ihr Geist weiß nicht zu sagen, mit welchem Kanu er einst nach Aotearoa gekommen ist.«
Karl schaute Cat, die für ihn übersetzte, verwirrt an. »Aber natürlich weiß Ida das!«, erklärte er. »Sie ist mit der Sankt Pauli gekommen wie wir alle.«
Makutu holte tief Luft, schlug Feuer und entzündete etwas Reisig inmitten der Hütte, um darüber Kräuter zu verbrennen. Der Rauch ließ Karl husten. Ida reagierte nicht. Die tohunga murmelte etwas.
»Ihr … Geist ist nicht wirklich angekommen«, bemühte sich Cat um eine Übersetzung. »Für die Maori besteht der Mensch aus tinana, mauri und wairua , Körper, Seele und Geist. Wairua kann wandern … wenn wir träumen. Idas Geist war gefangen, er war hergezwungen worden. Und nun, da er frei ist …«
»Nun, da er frei ist, will er fort?«, fragte Karl ungläubig. »Fort von mir? Das … das kann nicht sein. Ich liebe sie doch.«
»Mommy …« Beim Klang der Männerstimme regte sich Linda, die an Ida geschmiegt geschlafen hatte.
Wie alle anderen Dorfkinder waren die Mädchen nicht in Gefahr gewesen. Jane hatte dafür gesorgt, dass die jüngsten Stammesmitglieder während des Treffens mit den Weißen im Versammlungshaus untergebracht und von zwei Frauen gehütet worden waren. Ihrer Ansicht nach hatten Kinder bei Erwachsenenveranstaltungen nichts zu suchen. Die Maori befremdete das zwar, sie ließen ihre Kinder an jedem Ereignis teilhaben, aber in diesem Fall hatte es sich als vernünftig erwiesen. Die Kleinen hatten von den Schüssen nichts mitbekommen. Cat hatte die Kinder nach der Konfrontation mit den pakeha zu Ida gebracht, in der Hoffnung, sie könnten ihre
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