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Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)

Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)

Titel: Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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Mutter trösten und beruhigen. Carol hatte sich an Chasseur geschmiegt und Trost und Sicherheit in seinem weichen Fell gesucht. Sie war gleich eingeschlafen. Linda hatte sich an Ida gekuschelt und hilflos tröstend ihr tränennasses Gesicht gestreichelt, bis Kunari auch sie in den Schlaf gesungen hatte.
    »Aufwachen, Mommy! Daddy tommt …« Lindas Stimmchen klang ängstlich.
    Karl strich ihr vorsichtig das blonde Haar aus der Stirn. »Nein, Linda, dein Daddy kommt nicht mehr. Du kannst ruhig schlafen.«
    »Daddy?«
    Carols Stimme klang alarmiert. Im Gegensatz zu Linda schien sie sofort hellwach zu sein, als sie auch nur befürchten musste, dass ihr Vater das Haus betrat. Chasseur reagierte mit Bellen.
    Karl erwartete, dass Ida die Augen öffnete, doch sie stöhnte nur und warf sich herum. Cat hob Linda auf und wiegte sie wieder in den Schlaf.
    »Du musst ihn einfangen, musst ihn locken … ihren Geist«, riet Makutu. »Und du musst ihm die Angst nehmen.«
    Karl überlegt kurz. »Ich werde etwas holen«, sagte er dann und stand auf, nicht ohne Ida noch einmal über die Stirn zu streichen. »Ich weiß nicht, ob es ihr die Angst nimmt, aber ich weiß, dass es unsere Geister einmal verbunden hat.«
    Das kleine Buch, längst abgegriffen und zerfleddert vom Wieder- und Wiederlesen, war seit Jahren von einer Satteltasche in die nächste gewandert, auch jetzt fand Karl es sofort am gewohnten Platz. Er hatte so oft danach gegriffen – einfach nur, um es anzufassen, um Ida über alle Entfernungen hinweg nahe zu sein. Die Reisen des Kapitän Cook . Karl trug seinen Glücksbringer wie einen Schatz in Makutus Hütte.
    »Ich … wenn es euch nichts ausmacht, dann lasst uns doch jetzt allein …« Der junge Mann wandte sich an Cat und Makutu, die beide skeptisch auf das dünne Buch blickten, das sich zur Geisterbeschwörung so gar nicht zu eignen schien.
    »Und die Kinder …?«, fragte Cat unschlüssig.
    »Die Kinder können hierbleiben«, meinte Karl. »Sie werden sich vor mir nicht fürchten. Und Ida wird sie sehen wollen, wenn sie aufwacht.«
    Kunari folgte den Frauen nicht, als sie hinausgingen. Sie schüttelte energisch den Kopf, als Karl auch sie bat, ihn mit Ida allein zu lassen.
    »Ich singen kehua weg«, erklärte sie, »von Mann, der nehmen Schafe.«
    »Sie sagt, sie hält Ottfrieds Geist von ihr fern«, übersetzte Cat. »Sie wird nicht gehen.«
    »Wir hätten sie früher einsetzen sollen«, bemerkte Karl mit einem Anflug von Galgenhumor, dann lächelte er dem Mädchen zu.
    »Gut, danke, Kunari. Ich rufe Idas wairua , und du hältst ihr den Weg frei.«
    Und dann begann Karl zu lesen. Von Kapitän Cooks Reisen, seinen Erlebnissen, den exotischen Tieren, die er gesehen und beschrieben hatte, und seinen Begegnungen mit Eingeborenen. Er ließ den Zauber wieder auferstehen, den diese fremden Welten dereinst für Karl und Ida gehabt hatten. Und er erinnerte sie daran, wie sehr sie damals von der Royal Society geschwärmt hatte, einer Gesellschaft von Gelehrten, die Cooks Reisen finanziert hatte. Den Wissenschaftlern ging es hier hauptsächlich um astronomische Vermessungen, was Ida allerdings nie so ausgedrückt hatte. Sie hatte von Sternen gesprochen, von fremden Sternen …
    »Und denk dir«, sagte Karl schließlich mit sanfter Stimme. »Viel später gab es eine andere Gesellschaft, die Schiffe ausstattete, um in die Länder zu kommen, die Kapitän Cook entdeckt hatte. Ihre Gründer waren nicht von Wissensdrang getrieben, eher wollten sie Geschäfte machen. Die Vertreter der New Zealand Company versprachen viel und hielten wenig, aber sie gaben uns ein Schiff. Und erinnerst du dich nicht an die Sterne, Ida? Die Sterne über Bahia? Und die Sterne an unserem Strand bei Port Cooper. Da warst du hier, Ida. Hier auf der Südinsel von Aotearoa. Mit Körper und Seele und Geist. Bei mir. Ich kann dir heute keinen Strand bieten, Ida. Sterne jedoch …«
    Karl hob die junge Frau auf und erschrak. Wie leicht sie war! Er trug sie hinaus unter den Sternenhimmel und erzählte weiter. Vom zweiten Teil der Reise mit der Sankt Pauli , der Zeit nach Bahia, als Ida sich in ihrer Kabine vergraben hatte. Er schilderte die Schönheit und die Weite des Ozeans, den Anblick der Gefängnisinsel Van-Diemens-Land bei Australien, schließlich den ersten Blick auf Neuseeland, den Ida wie die meisten Siedler verschlafen hatte. Karl hatte ihn nicht verschlafen, er hatte an Deck gestanden und auf das neue Land gestarrt, das sich als dunkler

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