Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
eben noch Te Kanuta. O’Malley verbeugte sich jetzt sogar und bat höflich um eine Stellungnahme des Häuptlings zu den Vorwürfen der Redwoods. Die Siedler hatten die Hände von ihren Musketen genommen. Von selbst würde die Situation nicht eskalieren. Wenn Ottfried sich retten wollte, musste er selbst handeln. Und es musste jetzt sein. Wenn Jane ihn erst beschuldigte, würden alle ihn ansehen …
Ottfried zog seine Muskete und zielte sorgfältig. Das war diesmal wichtiger als in Wairau. Da war es schließlich egal gewesen, ob er traf, Hauptsache, es fiel der erste Schuss! Hier dagegen hing das Gelingen der Aktion wesentlich davon ab, dass der Schuss nicht ins Leere ging … Ottfried beruhigte sich mit dem Gedanken, dass er sicher mehrmals würde schießen können. Te Haitaras Männer würden das Feuer nicht erwidern, zumindest nicht sehr effektiv. Zwei der Krieger trugen zwar Jagdflinten, doch das war nichts im Verhältnis zu der geballten Feuerkraft der pakeha .
Ida und Cat eilten, gefolgt von Kunari und Chasseur, auf das Dorf zu. Als sie das Tor durchschritten, erkannten sie, dass die Dorfbewohner und ihre Besucher einander gegenüberstanden. Ida war erleichtert. Alles sah friedlich aus. Die Maori schienen ein powhiri zu planen, und Jane sprach die ersten Begrüßungsworte. Was auch immer vorlag, sie war wortgewandt genug, um alles richtigzustellen. Die Frauen verstanden noch nicht, was sie sagte, registrierten jedoch ihren verärgerten Ausdruck, als James Redwood und Officer O’Malley sprachen.
»… fordern wir Sie also auf, uns die strittigen Tiere zunächst zu zeigen und sie uns dann, wenn sich der Verdacht der Redwoods bestätigt, zurückzugeben!«
Police Officer O’Malley hatte die Stimme erhoben, als Ida und Cat dem Zentrum des Geschehens ausreichend nahe gekommen waren, um etwas zu verstehen. Sie sahen, dass Janes Gesicht zunächst Verblüffung und dann Wut widerspiegelte, als sie die Vorwürfe hörte. Dann setzte sie zu einer Erwiderung an.
Cat empfand die Szenerie auf dem Dorfplatz nicht als friedlich und erst recht nicht als beruhigend. Dafür ähnelte sie zu sehr den Bildern aus Wairau, die sich auf ewig in ihr Gedächtnis eingebrannt hatten. Wieder zwei Volksgruppen, die einander gegenüberstanden, wieder verunsicherte, aber schwer bewaffnete Männer. Cat ließ die Blicke wachsam und angespannt über die Reihen der pakeha schweifen – und sah die Mündung einer Waffe in der Sonne aufblitzen.
»Jane! Runter, Jane!«
Cat schrie auf, um Jane zu warnen, doch der Schuss übertönte ihren Schrei.
Chris und Karl galoppierten auf das Dorf zu und hörten den Schuss, als ihre Pferde eben das Tor passierten. Auch sie waren wie erschlagen von dem Anblick, der sich ihnen bot. Wairau … Die Geschichte wiederholte sich, und womöglich waren sie zu spät gekommen.
Cat sah Jane erschrocken zurücktaumeln. Sie wartete, starr vor Entsetzen, auf den roten Fleck, der sich auf ihrer Brust ausbreiten würde wie damals auf Te Rongas, doch Jane blieb auf den Beinen. Cat hatte das Gefühl, dass sich die wenigen Herzschläge, in denen alles geschah, zu Stunden dehnten. Sie blickte zurück zu dem Schützen und sah Ottfried Brandmann. Er hatte sich an die Brust gefasst, und er fiel. Und dann hörte sie auch schon Ida neben sich.
»Ich hab ihn erschossen, Cat, ich hab ihn erschossen.« Idas Stimme klang tonlos. Ihre Waffe rauchte noch.
Chris und Karl lenkten ihre Pferde entschlossen zwischen die Maori und die Engländer, als sie Ottfried am Boden liegen sahen. Die Redwood-Brüder bemühten sich um ihn, O’Malley schien verwirrt zu sein. Er blickte nur entsetzt auf die Maori und auf seinen Hilfstrupp, der kurz davor schien, in Panik auszubrechen. Die Männer zogen ihre Waffen, irgendjemand schrie »Klar zum Gefecht«. Andere Stimmen forderten dazu auf, die Ruhe zu bewahren, und die Mehrheit gab einfach nur Schreck und Verblüffung Ausdruck.
Te Haitaras Krieger gruppierten sich um ihren Häuptling, der sich seinerseits bemühte, Jane vor weiteren Angriffen abzuschirmen. Die junge Frau war totenblass und umschloss ihre blutende linke Hand mit der rechten. Ottfrieds Schuss musste sie gestreift haben, doch eine ernstliche Verletzung war das nicht. Wahrscheinlich hatte sich der Schuss gelöst, als der Schütze fiel. Getroffen von Idas letzter Kugel.
»Ich hab ihn erschossen, Gott wird mich strafen, ich hab ihn erschossen, ich hab meinen Ehemann erschossen, ich hab …« Idas Flüstern wurde zu einem Leiern,
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