Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
reden wollte.
»Ich hab mich nie getraut, darum zu beten«, flüsterte Ida. »Also darum, dass Gott mich und Karl zusammenführt. Ich hab mir das immer gewünscht, aber …«
Cat lächelte verschmitzt. »Makutu würde wahrscheinlich sagen: › Die Götter lesen deine Gedanken, sie hören die Gebete hinter den Gebeten. ‹ Und für Te Ronga waren die Götter ohnehin nicht so wichtig. Natürlich gehören sie dazu. Genau wie das Land, in dem wir leben, die Tiere, die wir jagen, die Pflanzen, die wir sammeln. Das Wichtigste auf der Welt sind jedoch die Menschen. He tangata. Also vergiss deinen Gott und die bösen alten Männer, die ihn nach ihrem eigenen Bilde geschaffen haben. Freu dich an Karl und an den Kindern und an dir selbst!«
Sie wurde ernst, als sie neben den üblichen Geräuschen und Gerüchen eines geschäftigen Dorfes Gesänge und Gebete hörte und den Duft verbrennender Kräuter wahrnahm.
»Das sind Makutu und ihre Frauen«, sagte sie. »Hör zu, Ida, hast du etwas dagegen, wenn sie Ottfried heute schon bestatten? Makutu sagt, sie würden ihn vorbereiten, und die pakeha könnten es ja dann so machen, wie sie es gewohnt sind. Ich weiß, bei den pakeha wartet man meistens zwei oder drei Tage, während die Maori ihre Toten lieber gleich begraben. Damit ihre Seele, mauri , sich auf die Reise machen kann nach Hawaiki. Bei Ottfried scheinen sie ernsthaft zu befürchten, dass sein Geist im Dorf herumspukt. Kunari hat die ganze Nacht gesungen, um ihn zu bannen. Sie sagte, er habe dir aufgelauert. Makutu windet schon den ganzen Morgen Schutzzauber. Wenn du also nichts dagegen hättest …«
Ida schüttelte den Kopf. »Ich will nur«, sagte sie leise, »dass er in Frieden ruht.«
Police Officer O’Malley hielt schließlich den Trauergottesdienst. Der ehemalige Dorfschullehrer, bibelfest und gläubig, gestaltete ihn sehr ernst und festlich und bat Gott von Herzen, Ottfried all seine Sünden zu vergeben. Ida hörte seinen Fürbitten, seiner Bibellesung und den Gebeten ohne sichtbare Regung zu – Karl fragte sich, ob sie überhaupt merkte, dass ihr streng altlutherisch gläubiger Ehemann hier nach dem Ritus der römisch-katholischen Kirche Irlands zur letzten Ruhe gebettet wurde. Er musste schmunzeln. Zuerst die Jenseitszauber der Maori, dann die Gebete der Papisten … Selbst wenn sich Ottfried der Himmel also wirklich noch öffnen sollte, er würde kaum im gewünschten Teil ankommen.
Aber wahrscheinlich spielte das alles ohnehin keine Rolle. Cat hatte Recht, wichtig waren die Menschen. Die Lebenden.
»Was werdet ihr denn jetzt machen?«, fragte Chris, nachdem die Trauerfeier vorbei war.
Sean O’Malley, die Redwoods und ihre Männer hatten sich zurück nach Port Cooper aufgemacht, nachdem Ida sich ausreichend gefasst hatte, um dem Police Officer noch ein paar Fragen zu beantworten. Nein, hatte sie zu Protokoll gegeben, sie habe nichts über die möglichen Hintergründe des Wairau-Zwischenfalls gewusst, und sie habe auch keine Ahnung vom genauen Aufenthaltsort ihres Vaters und Peter Brandmanns. Die beiden würden ihre Beteiligung aber sowieso leugnen, und nachweisen könne man ihnen sicher nichts. Der einzige Mitwisser, Ottfried, sei schließlich tot. Ida hatte noch hinzugefügt, sie habe auch Cats Warnruf nicht gehört und nicht über Ottfrieds mögliche Absichten nachgedacht, bevor sie schoss.
»Ich hab nur die Waffe gesehen und dass er auf die Maori zielte. Dann ging es wie von selbst. Gedacht habe ich dabei gar nicht. Schießen und denken, Officer, das geht nicht zusammen.«
O’Malley hatte ihr schließlich noch einmal sein Beileid ausgesprochen, wobei er angesichts der seltsamen Situation knallrot angelaufen war, und dann die Ermittlungen abgeschlossen.
»Ich werde Ida auf jeden Fall heiraten!«, erklärte Karl glücklich. »Nach einer angemessenen Trauerzeit natürlich – aber möglichst bevor das Kind zur Welt kommt. Egal, ob ich es gezeugt habe oder Ottfried. Es wird nicht mehr Brandmann heißen. Und wenn es dir recht ist, Chris, würden wir gern auf Fenroy Station bleiben. Wir würden uns ein eigenes Haus bauen. Auf Ottfrieds Land – oder lieber näher an dem euren, schon wegen der Kinder. Wir könnten natürlich auch das alte Haus behalten, allerdings … Ich denke, Ida kann dort nicht mehr wohnen!«
Chris nickte mitfühlend. »Daran haben Cat und ich auch schon gedacht«, meinte er. »Wir überlassen euch erst mal unseres.«
»Janes«, berichtigte Cat.
Christopher lächelte.
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