Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition)

Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition)

Titel: Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Menez
Vom Netzwerk:
geträumt hatte. Es war einer dieser wirren Träume gewesen, die ihr auch im Wachzustand noch klar in Erinnerung blieben und sie aufwühlten. Unentwegt mußte sie an diesen Traum denken, in dem sie Ionech wiedergesehen hatte. Es schien, als wäre sein Geist noch gegenwärtig, als wohne er im Licht des Großen Himmelsfeuers, das den Schatten der Bäume brach. Auf sonderbare Weise wirkte die Stimmung im Wald so friedlich, daß es Maramir an diesem Morgen nicht schwerfiel, daran zu glauben, daß ihre Söhne zu ihr zurückkehren würden ...
    Sie vernahm das Knacken trockener Zweige. Maramir wandte sich dem Geräusch zu und erkannte, daß Tanzt Viel ein Stück auf sie zugegangen war und sie nun zu sich winkte. Sofort folgte Maramir einer auffordernden Geste, leise zu sein. Tanzt Viel änderte die Richtung und ging nun auf Werferin zu, die zwischen niederen Sträuchern hockte und halsreckend darüber hinwegspähte. Beiläufig gab sie das Zeichen, Stille zu bewahren. Als Maramir und Tanzt Viel in geduckter Haltung Werferin erreichten, taten sie es ihr gleich und spähten über den spärlichen, niederen Strauchbewuchs des Waldbodens. Auf dem gegenüberliegenden Hang, hinter einer sanften Schlucht, durch die sich ein schmaler Bach zog, machte Maramir zwei Gestalten aus, die ihr sofort bekannt vorkamen. Es waren die beiden Fremden, mit denen sie eine Nacht lang das Lager geteilt hatten. Auf die Schultern der Frau gestützt stocherte der Mann, vielleicht auf der Suche nach etwas Eßbarem, wie Käfer, Vogeleier oder Bienennester, deren süßes Inneres wahrscheinlich auch den Riesen bekannt war, mit einem Stock zwischen einigen Stämmen umgestürzter Bäume. Plötzlich blickte er auf, sah sich um und richtete seine Aufmerksamkeit in ihre Richtung. Er konnte Maramir und ihre Gefährtinnen unmöglich gesehen haben. Dennoch sah er nun unentwegt herüber. Auch die Frau, die bei ihm war, schien, durch sein Verhalten, auf sie aufmerksam geworden zu sein.
    „Sie haben uns entdeckt!“, flüsterte Tanzt Viel.
    „Sie können uns nicht sehen!“, raunte Werferin.
    Maramir zögerte zunächst, erhob sich dann aber allmählich in den Stand. Ungedeckt sah sie zu den beiden Fremden hinüber. Ihre Blicke trafen sich und Maramir hob langsam eine Hand, so daß ihre offene Handfläche zu ihnen hinüberzeigte. Zögerlich erwiderte der Mann die Geste. Einen Moment lang sahen sie sich reglos an, dann verließen auch Tanzt Viel und Werferin ihre Deckung und zeigten sich offen. Maramir glaubte, den Anflug eines Lächelns im Gesicht des Mannes zu sehen. Auch der Ausdruck der Frau wirkte mit einem Mal gelöster und friedfertiger. Eine ganze Weile standen sie noch so da – bis Maramir und ihre Gefährtinnen sich nach und nach wieder ihrer Aufgabe, nach etwas Eßbarem zu suchen, widmeten und auch der Mann wieder anfing, mit seinem Stock zu stochern. - Unterdessen trafen sich immer wieder ihre neugierigen Blicke.
     
    Nachdem Roter Wolf aus einer Astgabelung eine Gehhilfe gemacht hatte, auf die Ionech sich stützen konnte, brachen sie auf - und irrten einen weiteren Tag im Bergwald umher. Sie folgten einer Wolfsspur, in der Hoffnung, die Ahnen würden sie führen ... bis sich die Fährte irgendwann in undurchdringlichem Dickicht verlor. Außerdem stießen sie auf eine frische Spur der Riesen. Eine Gruppe Jäger mußte ganz in ihrer Nähe sein; fünf oder sechs, vermutete Ionech. Von da ab versuchten sie, so gut es ging, für den Rest des Tages, die Spuren die sie selbst hinterließen zu verwischen und den Gro-mans-alta-noi aus dem Weg zu gehen.
     
    In der darauffolgenden Nacht, während Ionech und Roter Wolf schliefen, sah Feuerhaar ein aufleuchtendes Augenpaar in der Dunkelheit. Obwohl er nach einem der Steinbrocken griff, die er sich zur Verteidigung zurecht gelegt hatte, blieb er instinktiv ruhig und begegnete unbeirrt dem scharfen, klaren Blick, der auf sonderbare Weise in ihn hineinzusehen schien. Reglos dasitzend, den schweren, zwei menschenschädelgroßen Stein auf dem Schoß, wartete er gespannt darauf, was passieren würde. Im nächsten Moment entzog sich die Kreatur dem Feuerschein, und die leuchtenden Augen verschwanden.
    „Die Ahnen!“, flüsterte Feuerhaar und stieß seinen Bruder leicht mit dem Fuß. Angestrengt starrten sie in die Dunkelheit und versuchten die Silhouette der Gestalt auszumachen, die da im Unterholz herumschlich. Die Augen leuchteten wieder auf ... verschwanden ... und waren plötzlich an anderer Stelle wieder da.

Weitere Kostenlose Bücher