Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition)

Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition)

Titel: Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Menez
Vom Netzwerk:
besorgten Ausdruck in den Augen seiner Mutter, wandte sich von ihr ab und kehrte an seinen Platz auf dem Felsen zurück.
    -
     
    Die anfängliche Abenteuerlust war den Kindern mittlerweile vergangen. Zu Beginn, als sie im fahlen Licht des jungen Tages zu dem verheißungsvollen, unheimlichen Ort aufbrachen, war ihnen die Unternehmung noch aufregend und vielversprechend vorgekommen. Doch die Wanderung verlor, je steiler und damit anstrengender der Weg wurde, an Spannung. Ständig wurden sie ermahnt, Schritt zu halten und zu schweigen. So trotteten die Kinder nun lustlos zwischen den Erwachsenen und übten sich widerwillig in Geduld und Ausdauer.
    Auch Maramir taten allmählich die Füße weh. Der Boden war hart und steinig, voller Felsen, die aus der Erde ragten. Die Wärme des Großen Himmelsfeuers entwickelte sich allmählich zu lästiger Hitze, und die wenigen Bäume auf ihrem Weg spendeten kaum Schatten. Während des ganzen Weges kreisten ihre Gedanken um das angenommene Kind. Sie dachte im Augenblick weder an das Ungeborene in ihrem Bauch noch an den heiligen Ort der Spitzgesichter. Ihre Sorge galt Werferin. - Das war der Name, den Mutter Schwarzhaar Wangenfleck ihrer Tochter gegeben hatte. - Nicht selten ließ das Mädchen Kot und Urin da ab, wo es sich gerade aufhielt. Alles Schimpfen hatte es noch schlimmer gemacht. Das Kind wirkte verstört, verängstigt und sprach auch nicht viel. Zu der Sorge um die Gesundheit des Kindes gesellte sich der Zweifel. War es ein Fehler gewesen, das Kind anzunehmen? - Zu oft verlangte das Mädchen nach seiner Mutter. - Maramirs Blick schwenkte zu Kar. Obwohl ihre Schwester über diese Angelegenheit nicht mehr gesprochen hatte, wußte Maramir, daß Kars Meinung sich nicht geändert hatte. Dieses Kind war die Tochter ihrer Feindin, und Maramir erschreckte der Gedanke daran, daß Werferin es möglicherweise immer bleiben würde.
    Kar ging neben Tochter des Bären und stützte die Alte, die inständig darauf bestanden hatte, auf ihren eigenen Füßen das Heiligtum zu erreichen. - Kar schien es kaum erwarten zu können, die Wohnstätte der heiligen Bärin zu sehen, der Mutter der Spitzgesichter; ja sogar der Mutter aller Geschöpfe, die auf zwei Beinen gehen. So hatte Maramir es verstanden. - Ihre ältere Schwester erlernte allmählich die Sprache der Spitzgesichter und erfuhr zunehmend mehr über den verkehrten Glauben dieser Menschen. Dennoch machte sie sich, ebenso wie Maramir, zu eigen, die Dinge zu achten, die diesem Volk heilig waren. Um sich unter ihnen behaupten zu können, mußten sie begreifen, wie die Menschen um sie herum handelten und dachten. Kar hatte sich zu einer gelehrigen Schülerin entwickelt. Tochter des Bären weihte sie in die Geheimnisse der Medizin ein und erklärte ihr die heilende Kraft der Kräuter. Was Maramir aber nicht wußte, war, daß die heilige Frau der Spitzgesichter ihr nicht nur etwas über die heilende Wirkung von Pflanzen beibrachte, nein: Kar übte sich ebenso in der Zubereitung und Verabreichung von Giften. Sie hütete dieses Wissen und verriet nichts davon, ganz so, wie die Alte es von ihr verlangt hatte. Sie passte sich geschickt an und sträubte sich nicht dagegen, in das Fell des Bären zu schlüpfen. Doch sie sehnte sich nach dem Tag, an dem sie wieder ganz frei, ganz der Wolf sein konnte, der in ihr steckte. Kar sehnte sich nach den Ritualen und Tänzen ihres Stammes. Des Nachts hörte sie die Rufe der Wölfe, und es gab für sie keinen Zweifel daran, daß die Stimmen der Ahnen an sie und ihre Schwestern gerichtet waren. Die Anwesenheit der Ahnen, die ihnen in das fremde Land des Bären gefolgt waren, gab ihr Kraft und lenkte ihre Wolfsseele auf den uralten Pfad der Blutsbande.
    Tochter des Bären atmete schwer. Die Schmerzen ihrer alten Knochen wurden nun beinahe unerträglich. Aber sie wußte, daß sie an Macht verlor, wen sie sich von nun an zu den heiligen Stätten tragen ließe. Man würde über ihren Tod nachdenken, und was das bedeutete, wußte sie. In ihrem hohen Alter konnte sie so manche Dinge voraussehen. Sie konnte die Wege des Schicksals erkennen, die zu offensichtlich vor ihr lagen. - Scharfe Zunge würde allmählich ihren Platz einnehmen. Scharfe Zunges Sohn war zu einem Mann herangewachsen, den jeder im Stamm mittlerweile hoch achtete. Jeder schätzte seinen Mut, seine Kampfesstärke und sein großes Jagdgeschick. Scharfe Zunge hatte seinen Sohn einen schwarzmähnigen Löwen genannt, der, wenn er erst einmal genug

Weitere Kostenlose Bücher