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Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition)

Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition)

Titel: Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Menez
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Zeichen der Zustimmung. In dem Moment wurde Kar bewußt, daß Scharfe Schneide wahrhaftig der Sohn von Tochter des Bären war. Im Alter besaß er den selben klugen, beherrschten Verstand wie seine Mutter.
    Allein der Gnade von Scharfe Schneide war es letztendlich zu verdanken, daß der Stammesverband nicht zerbrach. - Trotzallem wurde Braunhaut fortan von einigen gemieden, als wäre ein böser Geist in ihn gefahren.
     
    Dann kam der Schnee und bedeckte das Land. Nahrung wurde knapp und der Weg beschwerlich. Die Kraft ließ zusehends nach. Vereinzelt stießen sie auf Spuren im Schnee, die von kleineren Gruppen Vielhörnern und Haarschwänzen stammten, aber in Neuschnee und Verwehungen verloren sich die Fährten rasch. Außerdem mußten sie das Gebiet der großen Herden erreichen, bevor der eisige Griff des Winters sie umschließen und ein Vorwärtskommen unmöglich machen würde. Es galt, den Schnee zu bezwingen und schnellstmöglich in das Hügelland nahe des großen Stromes vorzudringen, das vor ihnen lag, um die Schlafzeit des Großen Himmelsfeuers überleben zu können.
     
    Unterdessen mußte Scharfe Schneide Rote Hand, seine älteste Frau, zurücklassen, weil sie zu schwach war, um weiterzugehen. Zwei Säuglinge starben. Und Feuerglanz, Braunhauts zweite Frau, brach zusammen, noch bevor der Stamm das Winterlager erreichte, und starb hochschwanger im kniehohen Schnee.
    Wiedereinmal verlangte der Stamm der Spitzgesichter dringend nach der Gunst des Mächtigen Bären.
    -
     
    Im Land der Winterlager waren die Tage grau und blieben dämmrig - der Himmel war unentwegt wolkenverhangen und immer wieder schneite es. Kars Bauch wuchs. Die mondlosen Nächte waren lang und frostig. Vergeblich wartete man auf ein Zeichen des Mächtigen Bären. Im Zentrum des Lagers, unter dem Felsdach der Höhle, die kaum mehr als eine felsüberhangene Vertiefung im Gestein war, saß der ganze Stamm, wie auch in den beiden Nächten davor, dicht gedrängt um die wärmenden Feuer. Hunger und Kälte setzten allen so sehr zu, daß beinahe niemand wahrnahm, wie angespannt Werferin wirkte, als sie ihren Platz verließ und in der nächtlichen Dunkelheit verschwand.
    Wie sehr sie sich in den letzten Tagen verändert hatte; daß sie schweigsam geworden war, abwesend wirkte, daß sie mehr Zeit als sonst mit Kar verbrachte, und daß ihr Haar allmählich so schwarz war wie das Gefieder der Raben, hatte ebenfalls kaum einer bemerkt.
    Wie ein Geist tauchte sie schließlich aus der Finsternis auf. Sie trug das Gewand von Tochter des Bären und in ihren Händen hielt sie einen wuchtigen Bärenschädel. Sie betrat die Höhle und hielt den Schädel des alten, großen Bären über ihr schneebedecktes Haupt. Langes, schwarzes Haar lag auf ihren Schultern, dicke Strähnen verdunkelten ihr Gesicht. Sie trat langsam vor. Jene, die ihr am nächsten waren, wichen zurück. Ihr Gewand hing bis zum Boden. Man sah ihre Schritte kaum. Sie schloß ihre Augen und öffnete langsam ihren Mund; heraus kam ein geisterhaftes Grollen. Dann senkte sie den Schädel, so daß er ihr Gesicht verbarg, - schließlich hob sie ihn langsam wieder an. Als ihr Gesicht allmählich wieder zum Vorschein kam, waren ihre geöffneten Augen weiß und leer ...
    „Sucht nach den großen Herden!“ befahl eine tiefe, fremdartige Stimme, die aus ihrem Mund sprach. Alle erstarrten und sahen Werferin gebannt an. Manche stierten mit gesenkten Köpfen ängstlich zu ihr auf. Andere wandten schließlich sogar erschrocken den Blick von ihr ab. Werferins Augen sahen unter dem Schädel des großen Bären hervor, in jedes Gesicht, bemerkten jede Bewegung und erblickten die Gedanken in ihren Köpfen – so schien es. Tod und Schicksal spiegelten sich darin. Niemand zweifelte an der Anwesenheit des Mächtigen Bären.
    Werferin schloß ihre Augen, sank zuckend in sich zusammen und ließ dabei beinahe den Bärenschädel fallen. - Dann machte sie die Augen auf. Ihr Blick wirkte verschleiert und Roter Wolf glaubte, sie zittern zu sehen. Schnell war Kar an ihrer Seite und gab ihr Halt.
    Er erinnerte sich daran, wie Werferin, als sie noch Kinder waren, ihm und Feuerhaar einen solchen Schrecken eingejagt hatte, daß sie schreiend vor ihr geflohen waren. Diese unheimlichen, weißen Augen hatten ihnen solche Angst bereitet, daß sie heulend zu Kar liefen und ihr aufgeregt erzählten, was geschehen war. - Danach passierte es nie wieder ... Er selbst hatte immer geglaubt, daß Kar den bösen Geist, der damals in Werferin

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