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Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition)

Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition)

Titel: Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Menez
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fremdartige Surren mit etwas, das aussah wie ein zurechtgeschnitztes Stück Holz oder Horn, das an eine Schnur gebunden war, erzeugten, indem sie es schnell durch die Luft kreisen ließen. Die Trommeln begleiteten das Pulsieren seines Blutes und sonderbare, melodiöse Pfeifgeräusche erklangen aus kleinen knochenartigen Gegenständen, die sich einige der Riesen vor den Mund hielten. Selbst den Kindern der Himmelswesen hatte dieses Volk also ein Geheimnis entlockt. Nie zuvor hatte Feuerhaar das Gefühl gehabt, dem Totenreich so nahe zu sein. Man führte ihn auf den Platz, der ihm auf dem Weg zum Zelt des Alten aufgefallen war. Im Schein flackernder Feuer sah er sie. Das offene Haar reichte ihr bis zur Hüfte; sie trug nichts außer einem Rock, der ihren Unterleib verhüllte. Zu beider Seiten stand jeweils eine junge Frau neben ihr, deren Haare in ein Netz gehüllt auf hellen, zarten Schultern lagen; ihre langen Gewänder waren auffällig reich mit ledernen Bändern, kleinen Schneckenschalen, und farbigen Knöchelchen verziert.
    Der Alte brachte Feuerhaar zu dem großen Pfahl in der Mitte des Platzes. An der Spitze des Pfahls erkannte er den ins Holz geschnitzten gedrungenen Leib einer gesichtslosen Frau, mit viel zu üppig angedeuteten Formen und darunter verschiedene kunstvoll herausgeschnitzte Tierkörper, die sich um den Pfahl zu ihr hinaufwanden. Er war überwältigt. Eine große Macht mußte dieses Zauberwerk geschaffen haben. Seine Gedanken wurden hinweggefegt, als der laute Jubel der Menge wieder aufbrauste, und er die Umrisse zweier Gestalten näherkommen sah: eine Frau, was am Gang zu erkennen war, und den Schatten eines großgewachsenen Mannes, der wie Feuerhaar das Gehörn eines Hirsches auf dem Kopf trug. Im Licht der Feuer, die den Platz um ihn herum in rötliches Licht tauchten, erkannte er unter dem Hirschgeweih das Gesicht eines jungen Mannes. Seine Augen glänzten wie im Fieberwahn, und er schien sogar noch jünger als Feuerhaar zu sein. Die Frau an seiner Seite war jedoch deutlich älter. Sie warf Feuerhaar einen bösen Blick zu, bevor sie dem jungen Riesen eine Lanze überreichte und sich zurückzog. Der Alte löste Feuerhaars Fesseln und ein anderer warf ihm eine Lanze vor die Füße. Schließlich reihte auch der Alte sich in den Kreis ein, den die Menge um die beiden jungen Männer formte. Feuerhaar wußte längst, was von ihm verlangt wurde. Die Lanze vor seinen Füßen hatte er selbst gefertigt. Das Volk der Riesen wollte einen Kampf, und es sollte abermals Blut fließen ... Die Musik dröhnte in seinen Ohren, wilde Schreie gellten zwischen den lodernden Feuern zu ihm herüber, und der Boden erzitterte unter dem rhythmischen Stampfen der Menge. Im Kampf mit der Lanze war er nicht ungeübt, Bärenpranke hatte ihm vieles beigebracht. Doch sein Gegner war größer als er und kräftig. Feuerhaar sah ihm tief in die Augen, als er ganz plötzlich deutlich eine vertraute Nähe spürte. Es war der Geist Bärenprankes, den Feuerhaar nun überall um sich herum fühlte. In diesem Augenblick lebte er nicht nur in seinen Erinnerungen, wohnte nicht nur in seinem Kopf, sondern war spürbar anwesend und lenkte Feuerhaars Gedanken, während er im Feuerschein der Flammen tanzte und auf seinen Gegner schon die Schatten des nahenden Todes zeichnete. Der Ausdruck des jungen Riesen verriet Blutdurst und offenbarte sein hitziges Gemüt. Über ein Angstempfinden schien der Hüne längst hinaus zu sein; er wollte nicht mehr lange warten, das spürte Feuerhaar deutlich. Plötzlich flammte sein Blick auf, und er stürmte los. Feuerhaar ergriff rasch die Lanze vor seinen Füßen und erwartete, einer inneren Stimme gehorchend, den Angriff seines Gegners. Krachend prallten die Lanzenstiele aneinander; das Holz vibrierte in seinen Händen, während er sich gegen die ungestümen Hiebe wehrte. Mit jedem Hieb ließ er sich weiter zurückdrängen ... um sich dann blitzartig, in einer Drehung seinem Gegner entgegenzuwerfen. Bärenprankes Geist lenkte dabei jede seiner Bewegungen und trieb die Spitze der Lanze zielsicher in die Kehle des Feindes. Zitternd vor Erregung riß er seinem Opfer die Lanze aus dem Hals, indem er ihn mit dem Fuß zu Boden stieß, und jagte sie ihm schließlich zwischen die Rippen. Der kräftige Körper des jungen Riesen bebte und zappelte mit Armen und Beinen. Ohne Mitleid zu empfinden sah Feuerhaar auf ihn herab; sah zu, wie das Leben aus seinen weit aufgerissenen Augen wich. Wilde Schreie, Schreckensrufe

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