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Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition)

Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition)

Titel: Die Zeit der Himmelsfeuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Menez
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hustete. Feuerhaar stülpte das Innere seines Fellrockes nach außen, riß Bärenprankes Amulett, das er an einer rauhen Stelle mit Baumharz festgeklebt hatte, vom Leder und gab es seinem Bruder. Wehmütig streichelte Roter Wolf das Auge des Bären; er spürte, wie die Trauer ihm fast den Hals zuschnürte, als er sagte: „Die Ahnen sind fort!“
    Während ihrer nächtlichen Flucht hatte er von Feuerhaar erfahren, daß Bärenpranke von den Riesen getötet worden war, und Roter Wolf hatte seinem Bruder schließlich von der Flucht hinab ins Tal der Ahnen und von Braunhauts Tod berichtet. Danach waren sie in Schweigen verfallen und hatten den Rest der Nacht kaum ein Wort gesprochen.
    „Es ist das Land der Riesen geworden“, fügte Feuerhaar hinzu.
    Eine Weile schwiegen sie, massierten und rieben ihre Beine - dann sagte Roter Wolf bestimmend: „Wir müssen zurück! Ich mache mir große Sorgen. Kar ist schwach, ohne Mut und Kraft.“
    Roter Wolf stand auf, reichte Feuerhaar die Hand und half ihm dabei aufzustehen. Schweigend sah Braunbart zu, wie Roter Wolf sich zögerlich entfernte. Mit hängenden Schultern und geneigtem Kopf saß er mit Floß und Stummelfuß am plätschernden Ufer und blickte schließlich auf seine beiden kräftigen Hände, die zitternd in seinem Schoß lagen. Feuerhaar dachte an den Brand im Lager und fragte sich, ob Braunbart dahintersteckte ... Hatte er tatsächlich so bewundernswert listig gehandelt und das Volk der Riesen auf diese Weise abgelenkt, um ihnen so die Flucht zu ermöglichen? - Feuerhaar empfand einen wachsenden Respekt für den Freund mit dem zotteligen Bart. Die Idee mit dem schwimmenden Gerüst, das sie rasch flußabwärts gebracht hatte, verlangte große Achtung; für Braunbart war es die einzige Möglichkeit gewesen zu entkommen. - Es fiel ihm schwer, den Freund, der ihm das Leben gerettet hatte, nun zurückzulassen ...
    „Tartruh“, sagte Roter Wolf in ruhigem, einfühlsamen Ton, „er kann nicht gehen ... mit uns!“, fügte er, ungeübt in der Sprache seiner Ahnen, hinzu, wendete sich ab und ging weiter.
    „Tartruh? - Du Tartruh? ...Name?“
    Roter Wolf horchte auf, blickte zurück Richtung Flußufer und starrte den stummelfüßigen Fremden fassungslos an. Er konnte nicht glauben, was er da eben gehört hatte.
    „Ihr sprechen ... alte Sprache ... von Ionech ...Stamm?“
    Ionech! Diesen Namen hatten die Zwillinge nicht vergessen; Maramir und Kar hatten ihn einige Male erwähnt.
    „Du ... Ionech? Stamm der Wölfe?“, fragte Feuerhaar in der Sprache seiner Ahnen, die auch er zu wenig geübt und nur selten gesprochen hatte.
    „Ich ... Ionech!“, stieß der mit aufgerissenen Augen, bebender Stimme und eilig nickendem Kopf hervor, während er sich dabei zweimal mit der flachen Hand auf den Brustkorb schlug. „Ich ... Kind von Mutter Wölfin!“
    Mit schnellen Schritten setzte Roter Wolf auf ihn zu, kniete sich neben ihn und ergriff Ionechs Schulter. „Du weißt ... wer ist Mutter Maramir? ... Kar?“
    Der Ausdruck auf Ionechs Gesicht veränderte sich: Seine Mundwinkel zogen sich nach unten, die Nasenflügel weiteten sich, seine Lippen zitterten, und seine traurigen Augen füllten sich mit Tränen. Er betrachtete Roter Wolfs Gesicht, während er ihm mit den Fingern über die Wangen streifte. - Als Roter Wolf in das verhärmte und plötzlich vertraute, von tiefen Falten und durch Schmerz gezeichnete Gesicht Ionechs schaute, spürte er, wie auch in ihm Tränen aufstiegen. - Dann schlang Ionech seine Arme um Roter Wolfs Hals, schluchzte, weinte und drückte ihn fest an sich.
    „Du ... kommen ...!“, sagte Roter Wolf mit kratzender Stimme; Trauer und Freude schnürten ihm fast die Kehle zu, „mit Tartruh ... und Ruatedannan ... zu Maramir ... und Kar ... und Leinocka ...“ Er faßte Ionechs Arm am Handgelenk, legte ihn sich über die Schulter und half ihm in den Stand ...
     
    Mit vielen Unterbrechungen, zwischen der Sehnsucht, die sie antrieb, und Momenten völliger Kraftlosigkeit wankend, irrten sie den ganzen Tag durch Höhen und Tiefen des Bergwaldes. Sie sammelten Beeren und Kräuter, aßen Käfer, Würmer und Ameisen, gruben Larven und Wurzeln aus. Wasser saugten sie aus den dicken Moosschwämmen, die an den Bäumen und Steinen hafteten. Ionech gelang es sogar, einen der Waldvögel, die sich oft im Unterholz des Waldbodens aufhielten, mit einem handlichen Stock zu treffen, als dieser aufflog, um sich wie die anderen in die Baumwipfel zu retten. - Zu lange hatte der

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