Die Zeit der Hundert Königreiche - 4
sattelte sein eigenes Pferd. Ohne sich noch einmal umzublicken, ritt er aus dem Königreich Asturias ins Exil.
2. BUCH
Der Kilghard-Wolf
1
Ein halbes Jahr vor Ende seiner siebenjährigen Verbannung erhielt Bard mac Fianna, genannt der Wolf, Nachricht vom Tod König Ardrins. Jetzt konnte er nach Asturias zurückkehren.
Er befand sich zu der Zeit weit weg in den Hellers, in dem kleinen Königreich Scaravel, und half, Sain Scarp gegen die Angriffe der Räuberbanden von jenseits Alardyn zu verteidigen. Kurze Zeit nachdem die Belagerung abgeschlagen war, sandte Dom Rafael seinem Sohn einen Brief mit Neuigkeiten aus dem Königreich. Drei Jahre nach dem Tod des Prinzen Beltran hatte Königin Ariel dem König einen zweiten Sohn geboren. Als Ardrin starb und der kleine Prinz Valentine seinen Thron erbte, war die Königin in weiser Voraussicht zu ihren Verwandten auf den Ebenen von Valeron geflohen und hatte Asturias den Händen überlassen, die es nehmen und halten konnten. Anspruch erhob vor allem Geremy Hastur, dessen Mutter eine Cousine König Ardrins war. Er machte geltend, in früheren Zeiten habe das ganze Gebiet unter der Herrschaft der alten Hasturs gestanden und sei von ihnen niemals aufgegeben worden. Dom Rafael schrieb: Ich werde nie wieder das Knie vor der Hastur-Sippe beugen, und mein Anspruch auf den Thron hat mehr Gewicht als Geremys. Alaric ist mein rechtmäßiger Erbe und nach Valentine der Erbe Ardrins. Komm, mein Sohn, und hilf mir, Alaric der Vormundschaft Geremys zu entziehen und dies Königreich für Deinen Bruder in Besitz zu nehmen.
Bard stand halb gerüstet im Wachraum von Scaravel, wo der Brief ihn erreicht hatte, und dachte über die Botschaft nach. Sieben Jahre lang hatte er in ebenso vielen kleinen Königreichen als Söldner und später als Söldnerhauptmann gedient, und er zweifelte nicht im geringsten daran, daß sich der Ruhm des Kilghard-Wolfes von den Hellers bis in die Tieflande und sogar bis nach Valeron verbreitet hatte. In diesen Jahren hatte er viele Schlachten gesehen, und er las zwischen den Zeilen des Briefes, daß ihm weitere Kämpfe bevorstanden. Aber am Ende dieser Kämpfe standen Friede und Ehre und für ihn ein Platz nahe dem Thron von Asturias. Stirnrunzelnd sah er den Boten an. »Und mein Vater hat dir weiter nichts für mich mitgegeben, keine private Botschaft allein für meine Ohren?~<
»Nein, vai dom «
Keine Nachricht, fragte sich Bard, über meine Frau? Hat Geremy die Unverschämtheit besessen, Carlina zu heiraten’? Woher sonst sollte er die Frechheit nehmen, Anspruch auf Ardrins Thron zu erheben, wenn nicht mit der Begründung, er sei der Ehemann von Ardrins Tochter? All das Gerede über die alte Hastur-Sippe ist Mist, und das muß Geremy ebenso gut wissen wie ich!
»Aber ich bringe Euch eine Botschaft von Lady Jerana«, erklärte der Bote. »Sie bat mich, Euch auszurichten, daß Domna Melisandra Euch Grüße sendet und dazu die Grüße Eures Sohnes Erlend.«
Bards Gesicht verfinsterte sich, und der Bote wich vor ihm zurück. Bard hatte Melisandra vollkommen vergessen. Es hatte in der Zwischenzeit Frauen genug gegeben, und wahrscheinlich hatte er irgendwo einen oder zwei Söhne. Tatsächlich gab er einer Troßdirne Geld, wenn er welches hatte, weil ihr Sohn ihm selbst, als er ein Kind gewesen war, so ähnlich sah und weil sie seine Kleider wusch und seine Haare schnitt, wenn es nötig war, und sie besseres Essen kochte als das, was er in der Wachstube bekam. Er dachte jetzt mit Abscheu an Melisandra. Wimmerndes, heulendes Weibsbild! Diese Begegnung hatte einen schlechten Nachgeschmack in seinem Mund hinterlassen. Es war das letzte Mal gewesen, daß er seine Gabe benutzt hatte, auf eine Frau Zwang auszuüben. Ja, sicher, sie war Jungfrau gewesen, und wahrscheinlich war dem dummen Ding nichts anderes eingefallen, als ihrer Herrin alles zu erzählen. Lady Jeranas spitze Zunge hatte sich seit der Zeit, als er ein Junge war und sein Bruder Alaric ihn jedem anderen Gefährten vorzog, immer gegen ihn gerichtet. Jetzt konnte Jerana ihm eine Untat mehr - so würde sie es bestimmt nennen vorhalten.
Melisandras Anwesenheit war ein guter Grund, Asturias zu meiden. Und doch war es kein ganz unangenehmer Gedanke, daß er einen Sohn von einem Mädchen aus guter Familie hatte, einen Sohn, der erzogen wurde, wie es sich für den Nedestro-Sohn eines Edelmanns gehörte. Der Junge mußte jetzt etwa sechs Jahre alt sein. Alt genug, um in den einem Mann anstehenden Künsten unterwiesen
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