Die Zeit der Hundert Königreiche - 4
und dann Alaric an seinem Hof hatte, konnte er sicher sein, daß ich ihm keine Schwierigkeiten machen und nicht nach seinem Thron verlangen würde, obwohl mein Anspruch darauf ebenso gut war wie seiner und besser als der seines jüngeren Sohnes. Jetzt jedoch, wo sowohl Ardrin als auch Beltran tot sind, wäre es eine Katastrophe, sollte in diesen Zeiten ein Säugling als König regieren. Die Ratten veranstalten Aufruhr in der Küche, wenn die Katze ein Kätzchen ist! Wenn du mir beistehst …«
»Kannst du daran zweifeln, Vater?« fragte Bard, doch bevor er weitersprechen konnte, kam eine Frau von dem Feuer auf der anderen Seite des Raums herüber, schlank, mit ergrauendem Haar, gekleidet in ein reichbesticktes Gewand.
»So bist du also wieder da, Pflegesohn? Sieben Jahre der Gesetzlosigkeit scheinen dir keinen besonderen Schaden getan zu haben. Tatsächlich«, setzte sie mit einem Blick auf seine pelzbesetzte Kleidung und die Juwelen an Dolch und Schwert sowie auf dem Band, das seinen Kriegerzopf umschlang, hinzu, »… du mußt an diesen ausländischen Kriegen gut verdient haben. Das ist kein Wolfsfell! « Bard verbeugte sich vor Lady Jerana. Immer noch die gleiche alte Hexe mit dem sauren Gesicht und der spitzen Zunge, dachte er. Es würde dreimal sieben Jahre dauern, sie zum Guten zu verändern, und die beste Veränderung wäre ein Leichentuch. Aber in diesen sieben Jahren hatte er gelernt, nicht alles auszusprechen, was ihm in den Sinn kam.
»Sieben Jahre haben Euch in der Tat wenig verändert, Pflegemutter«, sagte er, und sie lächelte säuerlich.
»Wenigstens haben sich deine Manieren sehr gebessert.«
»Nun, Domna, ich habe sieben Jahre lang von meinem Verstand und meinem Schwert gelebt, in Ländern und unter Umständen, Lady, wo man schnell besser wird oder stirbt. Und wie Ihr seht, wandele ich immer noch unter den Lebenden.«
»Aber dein Vater läßt es an Gastfreundlichkeit fehlen«, bemerkte Lady Jerana. »Er hat dir nicht einmal eine Erfrischung angeboten. Wie kommt es, daß du in diesen Zeiten mitten in der Nacht geritten bist?« fragte sie, nachdem sie ihren Dienern gewinkt hatte, Essen und Wein zu bringen.
»Sind die Zeiten so unsicher, Domna? Der alte Gwynn sagte etwas in diesem Sinn, aber ich dachte, er sei in seinem Alter nicht mehr ganz bei Trost.«
»Sein Verstand ist in bester Ordnung«, fiel Dom Rafael ein. »Ich habe Befehl gegeben, die Tore jeden Abend bei Sonnenuntergang zu verrammeln, und bis dahin muß jedes Tier, jeder Mann, jede Frau und jedes Kind innerhalb der Mauern sein. Und ich lasse Kundschafter die Grenzen abreiten, die uns mit Signalfeuern warnen, wenn sie mehr als drei Reiter in einer Gruppe beisammen erblicken.
Das ist der Grund, warum wir dich nicht willkommen geheißen habe, wie es sich gehört. Es ist uns nicht eingefallen, daß du allein reiten könntest, ohne Leibwächter oder Friedensmann oder wenigstens einen dienenden Knappen! «
»Ich werde nicht umsonst Wolf genannt«, meinte Bard. »Einsamer Wolf und Bestie sind noch die freundlichsten Namen, die man mir gibt.«
»Und doch sind trotz all dieser Vorsichtsmaßnahmen«, berichtete Dom Rafael, »Männer in die Dörfer eingedrungen und haben Pferde weggetrieben. Es hieß, sie seien Räuber gewesen, aber ich persönlich halte es für möglich, daß es Geremys Leute waren. Wir hatten innerhalb der Burgmauern Pferche gebaut, in denen die Bauern ihre Tiere unterstellen konnten, wenn sie wollten, aber jetzt fangen sie an, sie wieder nach Hause zu holen. Die Räuber nahmen auch Säcke mit Korn und Nüssen und die halbe Apfelernte mit. Wir werden nicht gerade eine Hungersnot bekommen, aber es wird nur wenig Ware auf die Märkte gelangen und wenig gemünztes Geld in die Taschen der Leute. Einige der Dorfbewohner haben sich bewaffnet. Es wurde sogar davon gesprochen, eine Leronis anzuheuern, uni die Räuber mit Zauberei zu verscheuchen. Aber es wurde nichts daraus, und mir war das nicht unlieb. Diese Art der Kriegführung sagt mir nicht zu.« »Mir auch nicht«, pflichtete Bard ihm bei. »Aber der kleine Erlend sagte etwas davon, er werde als Laranzu ausgebildet.«
Lady Jerana nickte. »Der Junge hat Donas, und seine Lehrer meinen, wahrscheinlich habe er nicht die Muskeln für einen Schwertkämpfen« Diener hatten Wein gebracht und reichten Platten mit Leckerbissen umher. Bard erstarrte. Er blickte in die Augen einer kleinen, rundlichen Frau, deren Haar das Gesicht wie eine lebende Flamme umgab und in kleinen feurigen Locken aus
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