Die Zeit der Hundert Königreiche - 4
Feuer setzte. »Doch jetzt mußt du ins Bett, Enkel. Was hat sich die Amme nur dabei gedacht, daß sie dich so spät ins Freie hinausließ?«
.»Ich nehme an, sie hat gedacht, ich sei im Bett, denn dort ließ sie mich zurück«, gestand Erlend. »Aber ich fand, es gehöre sich, daß ich meinen Vater begrüße. Gute Nacht, Großvater, gute Nacht, Sir«, setzte er hinzu und verbeugte sich auf seine drollige Art wie ein Großer. Dorn Rafael lachte, als Erlend die Halle verließ.
»Was ist er für ein kleiner Hexenmeister! Die Hälfte der Dienst boten fürchtet sich bereits vor ihm. Aber er ist klug und weiß eine Menge für sein Alter, und ich bin stolz auf ihn. Nur wünschte ich, du hättest mir gesagt, daß du Melisandra ein Kind gemacht hattest. Ihr und ebenso mir hätte das zornige Worte von meiner Lady erspart. Ich wußte nämlich nicht, daß Melisandra des Gesichts wegen Jungfrau bleiben sollte. Und so hatten wir alle zu leiden, denn Jerana war schrecklich böse darüber, ihre Leronis so jung zu verlieren.«
»Ich habe es dir nicht gesagt, weil ich es nicht wußte«, erwiderte Bard, »und Melisandras Vorausschau kann schließlich gar so großartig nicht gewesen sein, wenn sie ihr nicht riet, meine Kammer zu meiden, als ich allein war und eine Frau brauchte.« Nachdem er es gesagt hatte, schämte er sich ein bißchen, denn er erinnerte sich, daß er ihr in dieser Sache schließlich keine Wahl gelassen hatte. Aber, dachte er bei sich, hätte Melisandra nur halb soviel Laran, wie das rote Haar versprach, dann wäre sie diesem Zwang nicht zum Opfer gefallen. Bei Mclora zum Beispiel wäre es ihm nicht gelungen.
»Nun, wenigstens ist ihr Sohn hübsch und klug, und wie ich sehe, hast du ihn in diesem Haus aufwachsen lassen, statt ihn bei irgendeinem Niemand in Pflege zu geben.«
Sein Vater blickte ins Feuer. »Du warst zum Gesetzlosen erklärt worden und gingst ins Exil. Ich fürchtete, er könnte alles sein, was mir von dir blieb. Und Jerana«, setzte er hinzu, als schäme er sich seiner Schwäche und müsse sich verteidigen, »hätte es auf keinen Fall übers Herz gebracht, Melisandra von ihrem Baby zu trennen.«
Das erstaunte Bard, denn er hatte Lady Jerana nicht zugetraut, überhaupt ein Herz zu haben. Das wollte er seinem Vater jedoch nicht sagen, und so bemerkte er: »Wie ich sehe, hat seine Mutter ihm auch etwas von ihren Künsten beigebracht. Er trägt bereits einen Sternenstein, so jung er noch ist. Und jetzt genug von Frauen und Kindern, Vater. Ich dachte, du seist bereits gegen diesen verdammten Usurpator Hastur gezogen, der versucht hat, sich zum Herrn dieses Landes zu machen.«
»Ich kann nicht gleich gegen Geremy ziehen«, antwortete Dom Rafael, »weil er immer noch Alaric in seiner Obhut hat. Erst wollte ich mich mit dir über eine Möglichkeit beraten, deinen Bruder zurückzuholen, auf daß mich nichts an einem Kampf gegen diese Hasturs hindert.«
Bard behauptete wütend: »Geremy ist eine Schlange, die sich überall herumringelt! Einmal hatte ich ihn in der Hand und verzichtete darauf, ihn zu töten. Ich wollte, ich hätte die Vorausschau gehabt, die Melisandra, wie du sagst, verlor.«
»Oh, ich habe nichts gegen den Jungen«, meinte Dom Rafael. »Stände ich in seinen Stiefeln, hätte ich zweifellos den gleichen Schritt getan. Er war Geisel am Hof König Ardrins, um das Wohlverhalten König Carolins von Thendara zu verbürgen. Ich bin überzeugt, Geremy wuchs mit dem Wissen zum Mann heran, daß sein Kopf als erster fallen würde, sollte es zu einem Streit zwischen Ardrin und Carolin kommen, und sei er zweimal der Pflegebruder von Ardrins Sohn. Und da wir von Ardrins Söhnen sprechen - du weißt, nicht wahr, daß Beltran tot ist?«
Bard biß die Zähne zusammen und nickte. Eines Tages wollte er seinem Vater erzählen, wie Beltran den Tod gefunden hatte, aber nicht jetzt. Er fragte Dom Rafael etwas, über das er nie zuvor nachgedacht hatte. »War ich Geisel an Ardrins Hof, um dein Wohlverhalten zu verbürgen?«
»Ich dachte, das hättest du dein ganzes Leben lang gewußt«, antwortete Dom Rafael. »Ardrin hat mir nie sonderlich getraut. Trotzdem schätzte Ardrin dich nach deinem wahren Wert ein, sonst hätte er dich nie zu seinem Bannerträger ernannt und dich über seinen eigenen Sohn gesetzt. Du hast das durch deine eigene Torheit weggeworfen, Junge, aber du machst den Eindruck, als seien dir diese Jahre des Exils gut bekommen, so daß ich nicht mehr darüber reden will. Doch solange Ardrin erst dich
Weitere Kostenlose Bücher