Die Zeit der Hundert Königreiche - 4
den ältesten Adelsgeschlechtern von Asturias gehört und ein paar Generationen weiter zurück mit der Hastur-Sippe verwandt ist.«
Darüber dachte Bard nach. Natürlich wollte Dom Rafael den Thron für Alaric halten, und zu diesem Zweck mußte er sich des Wohlwollens aller Edelleute versichern, die den di Asturien dienstpflichtig waren. Eine Staatshochzeit für die Tochter eines geschätzten Unterstützers war ein guter diplomatischer Schachzug und die Kosten wohl wert. Bard selbst hätte allerdings gezögert, einem seiner eigenen Verbündeten soviel Gunst zu erweisen, wenn er sich mit den Hasturs verschwägerte. Denn die Hasturs konnten nur zu bald zu Feinden werden.
»Glaubst du wirklich, daß wir mit den Hasturs Krieg führen müssen, Bard?«
Bard ärgerte sich immer über Melisandras Gewohnheit, seine Gedanken zu lesen. Er maß sie mit einem bösen Blick, doch er antwortete: »Ich sehe keine Möglichkeit, das zu vermeiden.« Melisandra erschauerte leicht. »Aber du freust dich ja darüber …« »Ich bin Soldat, Melisandra. Der Krieg ist meine Aufgabe und die Aufgabe jedes loyalen Mannes in Asturias, weil wir dies Reich mit Waffengewalt verteidigen müssen.«
»Ich könnte mir vorstellen, daß es leicht wäre, Frieden mit den Hasturs zu schließen. Sie wollen ebenso wenig einen Krieg wie wir.« Bard zuckte die Schultern. »Dann sollen sie sich uns ergeben.« Er wünschte, Melisandra würde aufhören, von Dingen zu reden, die sie gar nichts angingen.
»Aber es geht mich etwas an, Bard. Ich bin eine Leronis und nicht unerfahren in der Schlacht. Und selbst wenn ich es nicht wäre, wenn ich zu den Frauen gehörte, die nichts Besseres zu tun haben, als daheim zu bleiben und den Haushalt zu versorgen, hätte ich mit Wunden und Plünderungen zu schaffen, und ich würde Söhne gebären, die in den Krieg reiten … Der Krieg geht auch die Frauen an, nicht nur die Männer!«
Ihr Gesicht war rot vor Entrüstung, aber Bard erwiderte nur grob. »Unsinn. Und wenn du noch einmal ohne Erlaubnis meine Gedanken liest, Melisandra, wird es dir leid tun! «
Sie zuckte die Schultern und erklärte seelenruhig: »Mir tut alles leid, was mich in Verbindung mit Euch bringt, mein Lord. Und wenn du nicht willst, daß ich deine Gedanken lese, solltest du sie nicht mit solcher Kraft aussenden, daß niemand umhin kann, sie zu hören. Ich bin mir selten sicher, ob du sie laut ausgesprochen hast oder nicht.« Das gab Bard zu denken. Er hatte nie geglaubt, Laran in meßbarem Grad zu haben. Warum fiel es Melisandra so leicht, seine Gedanken zu lesen?
Die Große Halle war überfüllt mit Männern und Frauen. Es war auch das Geheul von zwei oder drei Säuglingen zu hören. Seit kurzem war unter den adligen Damen die törichte Sitte aufgekommen, ihre Babys selbst zu nähren, statt sie, wie es sich schickte, Ammen zu überlassen. Und da Ginevra soeben erst Mutter geworden war, hatten viele andere junge Ehefrauen es für angebracht gehalten, ihre noch nicht entwöhnten Kinder mitzubringen. Bard hoffte, sie würden hinausgebracht, bevor die Zeremonie begann! Wenn Carlina an den Hof kam, würde er dafür sorgen, daß sie sich würdiger betrug. Mit all dem Kindergeschrei war die Große Halle wie eine Weide fohlender Stuten!
Doch offenbar hatte Lady Jerana darauf bestanden, daß die Babys vor Beginn der Zeremonie entfernt wurden. Die Ehe-Armbänder wurden mit großer Feierlichkeit um die Handgelenke Geremys und Ginevras gelegt, während der Regent von Asturias sprach: »Möget ihr für immer eins sein.« Nun ja, jetzt hatte Geremy eine Frau, und wenigstens hatte sie ihre Fruchtbarkeit bewiesen. Bard zuckte die Schultern und ging, seinem Verwandten zu gratulieren.
Ginevra und Melisandra umarmten sich und quietschten albernes Zeug, wie es junge Frauen bei Hochzeiten immer tun.
Bard verbeugte sich.
»Ich gratuliere dir, Cousin«, sagte er höflich. Wenn Geremy halbwegs intelligent war, dachte er, würde er ihre Differenzen den Wechselfällen des Krieges zuschreiben und einen Strich darunterziehen. Im Grunde hatte er nichts gegen Geremy. Vermutlich hätte er in Geremys Schuhen ebenso gehandelt wie dieser.
»Wie ich sehe, sind deine Verwandten von nah und fern gekommen, um dir Ehre zu erweisen, Pflegebruder.«
»Hauptsächlich wohl, um meiner Lady Ehre zu erweisen«, gab Geremy zurück und stellte ihm Ginevra vor. Sie war eine kleine, dunkle Frau, die beinahe so aussah, als entstamme sie dem Schmiedevolk der Berge. Obwohl Geremy nicht gerade stehen konnte,
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