Die Zeit der Hundert Königreiche - 4
Wenn Hastur und Serrais gemeinsam Sache machten, was sollte dann aus Asturias werden? Er wollte mit dieser neuen Kunde zu seinem Vater eilen, aber die Musikanten begannen zum Tanz aufzuspielen, und die Tanzenden drängten sich in der Halle. »Möchtest du gern tanzen, Ginevra? Du brauchst nicht bei mir stehen zu bleiben, weil ich verkrüppelt bin. Sicher wird dich einer meiner Verwandten gern zum Tanz führen.« Sie lächelte und drückte kurz seine Hand. »Auf meiner Hochzeit tanze ich mit keinem Mann, wenn mein Mann nicht mein Partner sein kann. Ich werde auf einen Ringtanz für die Frauen warten und mit meinen Damen tanzen.«
»Du hast eine loyale Frau«, bemerkte Bard, und Geremy zuckte die Schultern. »Oh, Ginevra hat immer gewußt, daß ich niemals Ruhm auf dem Schlachtfeld oder dem Tanzboden gewinnen werde.«
Einer der Hastur-Leute in Blau und Silber trat zu ihnen und bat um einen Tanz mit der Braut. Bard beobachtete, wie anmutig Ginevra ihm absagte, und begann zu verstehen, warum sein Verwandter dies magere, dunkle, unscheinbare kleine Ding gewählt hatte. Sie hatte den Charme und die Würde einer Königin. Trotz ihrer wellig bemerkenswerten Gesichtszüge würde sie eine Zierde für jeden Hof sein.
»Aber das dürft Ihr nicht«, protestierte der Mann. »Der Tanz mit einer Braut ist für jeden Mann, der noch im gleichen Jahr heiraten möchte, ein mächtiges Zaubermittel! Wie könnt Ihr es übers Herz bringen, uns dessen zu berauben, Domna?«
Ginevra scherzte: »Ich werde nur mit meinen unverheirateten Damen tanzen. Das wird ihnen Ehemänner einbringen, und da sie sich Männer suchenen müssen, wenn sie an den Lustbarkeiten teilnehmen wollen, wird das wiederum den Junggesellen zu Bräuten verhelfen!« Sie gab den Musikanten ein Zeichen, und sie begannen, einen Ringtanz zu spielen. Ginevra faßte Melisandra bei der Hand und zog sie auf den Tanzboden, und viele Frauen und junge Mädchen, die zu jung waren, um mit Fremden zu tanzen, oder Frauen, deren Männer oder Brüder anderswo Aufgaben hatten, strömten ihnen nach. Bard folgte Melisandras grüngekleideter Gestalt mit den Augen, während die Figuren des Ringtanzes sie nach innen und nach außen führten. Wo mochte Melora jetzt sein? Warum verfolgte ihn die Erinnerung an sie? Ihm schoß der Gedanke durch den Kopf - und er wußte, daß es Wahnsinn war -, daß Melora und er, wenn er auf diese Weise an sie gebunden wäre, miteinander reden und gute Freunde sein könnten, wie es Geremy und Ginevra waren. Er dachte daran, wie Ginevra Geremys Hand gegen ihre Wange gedrückt hatte. Keine Frau hatte sich jemals so gegen ihn verhalten, und doch konnte er es sich bei Melora vorstellen.
Unsinn! Er konnte Melora nicht heiraten. Sie war nicht hochgeboren, und sie hatte sich sowieso einem Turm verpflichtet. Auf diese Weise wurden keine Ehen geschlossen. In Gedanken hatte er Geremy dafür kritisiert, daß er eine Frau wie Ginevra heiratete, die trotz ihrer alten Familie und ihres liebenswürdigen Benehmens im Rang beträchtlich unter ihm stand. Nur ein Dummkopf heiratete eine Frau, die ihm keine mächtigen Verbündeten oder eine reiche Mitgift eintrug. Zum Beispiel konnte er sich nicht dazu herablassen, Melisandra zu heiraten; sie war die Tochter eines bescheidenen La ranzu … Doch was hatte Geremy über die Hastur-Sippe und rotes Haar gesagt? Melisandra konnte doch nicht von gar so niedriger Geburt sein …
»Ich hatte geglaubt«, sagte Geremy, »wir würden bald die Ehre haben, auf deiner Hochzeit zu tanzen, Bard. Konntest du Carlina nicht überreden, die gastfreundliche Schwesternschaft Avarras zu verlassen?«
»Ich hatte keine Gelegenheit, mit ihr zu sprechen. Die Ufer des Sees sind durch Zauberei geschützt. Um sie zu brechen, brauchte man ein Regiment von Leroni! Aber merke dir meine Worte, geschehen wird es! «
Geremy machte eine Geste, die frommes Entsetzen karikierte. »Und du fürchtest den Zorn Avarras nicht?«
»Ich fürchte eine Schar törichter Frauen nicht, die ihren Willen als den Willen der einen oder anderen Göttin ausgeben!« grollte Bard. »Aber könnte es sein, daß deine Braut Keuschheit und gute Werke den Freuden vorzieht, die sie in einer Ehe mit dir erwarten?
Wie kann sie nur so töricht sein!« In Geremys grauen Augen flackerte boshafte Belustigung, und Bard drehte sich auf dem Absatz um und ging weg. Er wollte seinen Vater nicht in Verlegenheit bringen, indem er bei einem großen Fest wie diesem Streit anfing. Nicht einmal sich selbst gegenüber
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