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Die Zeit der hundert Königreiche

Die Zeit der hundert Königreiche

Titel: Die Zeit der hundert Königreiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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halte ihre Hand und sprich mit ihr, wenn sie unruhig wird. Sie mag hellsichtig werden, wenn das Ende nahe ist. In dem Fall schickst du sofort nach Mutter Ellinen.«
    Carlina ging nun zum Fremdenhaus, wo sie zweimal in zehn Tagen der Aufgabe nachkam, eine erste Untersuchung der Kranken durchzuführen, die auf die Hilfe der Priesterinnen Avarras hofften, üblicherweise dann, wenn die Dorfheilerinnen versagt hatten.
    Drei Frauen saßen stumm auf einer Bank. Carlina winkte die erste in einen kleinen Innenraum.
    »Im Namen der Mutter Avarra, wie kann ich dir helfen, meine Schwester?«
    »Im Namen Avarras«, antwortete die Frau – sie war klein und hübsch, aber irgendwie verblaßt –, »ich bin seit sieben Jahren verheiratet und habe noch kein einziges Mal empfangen. Mein Mann liebt mich und würde das als Willen der Götter hinnehmen. Doch seine Mutter und sein Vater – wir leben auf ihrem Land – haben gedroht, sie wollten ihn zwingen, sich von mir zu scheiden und eine fruchtbare Frau zu nehmen. Ich … ich …«, sie brach zusammen und stammelte: »Ich habe mich bereit erklärt, jedes Kind aufzuziehen und zu adoptieren, das er mit einer anderen Frau zeugt, aber seine Familie will ihn mit einer Frau verheiratet sehen, die ihm viele Kinder gebären kann. Und ich … ich liebe ihn«, gestand sie und verstummte.
    Carlina fragte ruhig: »Willst du in Wahrheit Kinder gebären? Oder siehst du das als eine Pflicht gegenüber deinem Gatten an, als einen Weg, dir seine Liebe und Aufmerksamkeit zu erhalten?«
    »Beides.« Vergebens wischte sich die Frau die Tränen mit dem Rand ihres Schleiers fort. Carlina hatte genug Laran , um die Wahrheit in den Worten der weinenden Frau zu erkennen. »Ich sagte ihm, ich würde alle seine Söhne von irgendeiner Frau seiner Wahl annehmen. Wir haben das Baby seiner Schwester in Pflege, und ich habe festgestellt, daß ich kleine Kinder liebe … Ich sehe die anderen Frauen mit Kindern an der Brust, und ich wünsche mir ein eigenes, oh, wie wünsche ich es mir! Ihr, die ihr Keuschheit gelobt habt, könnt nicht wissen, wie es ist, wenn man andere Frauen mit Kindern sieht und weiß, man wird niemals ein eigenes haben. Ich habe mein Pflegekind, das ich lieben kann, aber ich möchte selbst eins gebären, und ich möchte bei Mikhail bleiben …«
    Carlina dachte einen Augenblick nach, dann sagte sie: »Ich werde sehen, was ich tun kann, um dir zu helfen.« Sie hieß die Frau, sich auf einen langen Tisch zu legen. Die Frau sah sie furchtsam an, und Carlina, die immer noch auf sie eingestimmt war, erkannte, daß sie unter den schmerzhaften Untersuchungen von Hebammen gelitten hatte, die versucht hatten, ihr zu helfen.
    »Ich werde dir nicht weh tun«, versprach Carlina, »ich werde dich nicht einmal berühren. Aber du mußt ganz still sein und ruhig liegenbleiben, sonst kann ich nichts tun.« Sie nahm ihren Sternenstein vom Hals, ließ ihr Bewußtsein tief in den Körper der Frau einsinken und fand nach einiger Zeit die Blockierung, die eine Empfängnis verhinderte. Sie stieg hinab in Nerven und Gewebe und löste den Knoten beinahe Zelle um Zelle auf.
    Sie bedeutete der Frau, sich aufzusetzen.
    »Ich kann nichts versprechen«, sagte sie, »aber es gibt jetzt keinen Grund mehr, warum du kein Kind empfangen solltest. Du sagst, dein Mann habe mit anderen Frauen Kinder gezeugt? Dann solltest du in Jahresfrist dein eigenes haben.« Die Frau strömte über von Dankesbeteuerungen, doch Carlina unterbrach sie.
    »Danke nicht mir, sondern der Mutter Avarra, und wenn du eine alte Frau bist, sprich niemals grausame Worte zu einer unfruchtbaren Frau noch bestrafe sie für ihre Unfruchtbarkeit. Es braucht nicht ihre Schuld zu sein.«
    Als sie die Frau gehen sah, war Carlina froh, daß sie einen körperlichen Schaden gefunden hatte. Wenn sich nichts entdecken ließ, war anzunehmen, daß die Frau eigentlich keine Kinder wollte und mit Laran -Kräften, von denen sie nicht wußte, daß sie sie besaß, eine Empfängnis verhinderte, oder daß der Mann der Frau steril war. Wenige Frauen – und noch weniger Männer – vermochten sich vorzustellen, daß ein viriler Mann steril sein konnte. Ein paar Generationen zuvor, als eine Heirat eine Gruppenangelegenheit war und es als selbstverständlich galt, daß eine Frau Kinder von verschiedenen Männern bekam, war es einfach gewesen. Eine scheue oder gehemmte Frau brauchte man nur zu ermutigen, sich – vielleicht bei einem Fest – außer ihrem Ehemann auch zwei oder drei

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