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Die Zeit der hundert Königreiche

Die Zeit der hundert Königreiche

Titel: Die Zeit der hundert Königreiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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Menschen kontrollieren und selbst dem Müßiggang frönen zu können. Aber von alters her ausgeübte Bräuche konnten ihre eigene Kraft entfalten, und das zu erleben, halte Paul nicht die geringste Lust.
    Ein tief ausgetretener Pfad, gesäumt von spärlichen Büschen, führte vom Strand aufwärts. Paul vermied ihn. Er hielt sich im Schatten der Bäume und versteckte sich hinter dem Vorsprung eines Gebäudes, als ein paar Frauen den Weg hinunterkamen. Sie trugen dunkle Kleider und hatten scharfe, gekrümmte kleine Messer am Gürtel hingen. Auf Paul machten sie einen abschreckenden Eindruck, ganz und gar nicht wie Frauen, mit ihren hageren Gesichtern, den starken Kinnen, den großen, rauhen Händen und den formlosen Gewändern, die nichts von weiblichen Kurven sehen ließen. Sie flößten ihm Angst ein. Er hatte durchaus nicht den Wunsch, von ihnen erblickt zu werden oder mehr von ihnen zu sehen, als unumgänglich war. Die bruchstückhafte Erinnerung schoß ihm durch den Kopf, daß es immer tödlich gewesen war, ein Mysterium der Frauen auszuspionieren, und aus diesem Grund hatten vernünftige Gesellschaften Mysterien der Frauen immer gesetzlich verboten.
    »Ich dachte, ich hätte das Boot gehört«, sagte eine von ihnen.
    »O nein, Schwester Casilda. Sieh doch, das Boot liegt dort drüben am Ufer«, antwortete eine andere, und Paul war froh, daß er das Boot an dem Seil zurückgeschickt hatte. Die zweite Frau war eine kräftige alte Matrone mit einem Doppelkinn. Warum war sie wohl hier? Paul hätte sich vorstellen können, daß sie irgendwo ihre erwachsenen Töchter und Schwiegertöchter terrorisierte und ihren Enkelkindern die Furcht Gottes einbleute. Er hatte sich jungfräuliche Priesterinnen als neurotische, schöne Mädchen vorgestellt, aber solide, stämmige, tüchtige Großmutter-Typen? Irgendwie machte es ihm den Kopf wirbeln.
    »Aber wo ist Gwennifer?« fragte die magere Schwester Casilda, und sie griff an der hohen Stange hinauf, wo das Bootsseil verankert war. Sie läutete mit dem Griff ihres kleinen Messers heftig die Glocke. Aber auf dem gegenüberliegenden Ufer war nichts zu sehen und zu hören. »Es sieht ihr nicht ähnlich, auf ihrem Posten zu schlafen. Ob sie krank ist?«
    »Wahrscheinlicher ist«, schimpfte eine dritte Frau, die bisher nicht gesprochen hatte, »daß sie die Weinration für zwei Tage auf einmal ausgetrunken hat und jetzt stockbetrunken daliegt!«
    »Und wenn, ist das auch kein Kapitalverbrechen«, meinte die erste Frau. »Trotzdem glaube ich, ich sollte das Boot zurückziehen und hinüberfahren. Sie mag krank sein und hilflos in ihrer Hütte liegen, oder sie hat sich einen Knochen gebrochen, wie es bei alten Frauen so schnell geschieht. Es kann Tage dauern, bis die nächsten Pilgerinnen kommen und sie finden.«
    »Wenn so etwas geschähe, würde ich es mir nie verzeihen«, stimmte die andere zu, und sie zogen an dem Seil und holten das Boot herüber. Dann stiegen sie ein und ruderten über den See. Paul stahl sich den Abhang hinauf, froh, daß er keine Gewalt angewendet hatte. Man würde die alte Fährfrau in der Tat stockbetrunken antreffen, aber es war kein Beweis dafür zu finden, daß ihr jemand etwas angetan hatte oder auch nur in ihre Nähe gekommen war. Im Grunde hatte er der alten Dame ja auch nichts angetan – er hatte ihr nur zu einem angenehmen Rausch verholfen, und aus dem, was die Frauen gesagt hatten, ging hervor, daß sie sich sowieso nicht zum ersten Mal auf ihrem Posten betrunken hatte und eingeschlafen war.
    Ein Schauer lief ihm das Rückgrat hinunter. Wäre er seinem ersten Impuls gefolgt, sie niederzuschlagen und zu fesseln, bevor er sich das Boot nahm, wäre jetzt schon Alarm gegeben, daß sich ein Eindringling auf der Insel herumtreibe.
    Er hatte sich vergewissert, daß keine dieser Frauen die war, die er suchte. Bard hatte ihm ein Porträt von Carlina gezeigt und dazu gesagt, es sei sehr idealisiert und auf jeden Fall vor sieben Jahren gemalt worden. Aber Paul war überzeugt, er werde Carlina erkennen, wenn er sie sah. Und gleichzeitig empfand er ein scheußliches Unbehagen. Er und Bard hatten die schlechte Gewohnheit, die gleichen Frauen zu begehren. Doch Bard hatte es ganz deutlich gemacht: Diese eine konnte Paul nicht haben. Paul hatte genug in Bards Gedanken gelesen, um zu wissen, daß Carlina fähig war, zumindest für einige Zeit alle seine Gedanken an andere Frauen zu vertreiben. Dergleichen hatte Paul nie zuvor in Bard gespürt. Er war besessen von

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