Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Zeit der Verachtung

Die Zeit der Verachtung

Titel: Die Zeit der Verachtung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
Vom Netzwerk:
werden?«
    »Du nimmst richtig an.«
    »Und Vilgefortz?«
    »Dem schon.« Der Kaiser lächelte grausam. »Er soll sogar alle Haare verlieren, ein für allemal. Zusammen mit dem Kopf. Für andere Zauberer, die du in seinem Schlupfwinkel vorfindest, gilt dasselbe. Ohne Ausnahme.«
    »Verstanden. Wer befasst sich mit der Suche nach Vilgefortz’ Schlupfwinkel?«
    »Du, Uhu.«
    Stefan Skellen und Vattier de Rideaux wechselten einen Blick.
    Emhyr lehnte sich im Sessel zurück. »Alles klar? Dann also  ... Was ist, Ceallach?«
    »Euer Majestät«, ächzte der Seneschall, den bis dahin niemand beachtet zu haben schien. »Ich bitte um Gnade  ...«
    »Es gibt keine Gnade für Verräter. Es gibt keine Gnade für jene, die sich meinem Willen widersetzen.«
    »Cahir  ... Mein Sohn  ...«
    »Dein Sohn  ...« Emhyr kniff die Augen zusammen. »Ich weiß noch nicht, wodurch sich dein Sohn schuldig gemacht hat. Ich möchte glauben, seine Schuld besteht nur in Dummheit und Unfähigkeit, nicht in Verrat. Wenn dem so ist, wird er geköpft, nicht aufs Rad geflochten.«
    »Euer Majestät! Cahir ist kein Verräter  ... Cahir konnte nicht  ...«
    »Genug, Ceallach, kein Wort mehr. Die Schuldigen werden bestraft. Sie haben versucht, mich zu betrügen, und das verzeihe ich ihnen nicht. Vattier, Skellen, in einer Stunde findet ihr euch zum Empfang unterschriebener Instruktionen, Befehle und Vollmachten ein, worauf ihr sofort an die Ausführung der Aufgaben geht. Und noch eins: Ich brauche wohl nicht hinzuzufügen, dass das Mädchen, das ihr unlängst im Thronsaal gesehen habt, für alle Cirilla bleiben muss, die Königin von Cintra und die Prinzessin Rowan. Für alle. Ich befehle, das als Staatsgeheimnis und als Angelegenheit höchster Wichtigkeit zu behandeln.«
    Die Versammelten schauten den Imperator erstaunt an. Deithwen Addan yn Carn aep Morvudd lächelte ein wenig. »Habt ihr es etwa nicht verstanden? Anstelle der echten Cirilla von Cintra hat man mir irgendeine Schwachsinnige geschickt. Diese Verräter haben gewiss geglaubt, ich würde sie nicht erkennen. Aber ich erkenne die echte Ciri. Ich erkenne sie am Ende der Welt und in der Finsternis der Hölle.«

Ein gar rätselhaft Ding ist es, daß das Einhorn, wiewohl es überaus schreckhaft ist und die Menschen fürchtet, wenn es solch einer Jungfrau begegnet, so noch mit keinem Manne fleischlich verkehret hat, alsbald zu ihr hinläuft, niederknieet und ihr ohne jegliche Furcht den Kopf auf den Schoß legt. Es soll in vergangenen und vergessenen Zeiten solche Jungfrauen gegeben haben, welche sich nämliches zum Berufe machten. In Ehelosigkeit und Keuschheit lebten sie viele Jahre, damit sie den Jägern als Lockvögel für Einhörner dienen könnten. Doch erwies sich alsbald, daß das Einhorn nur zu jungen Jungfrauen kommt und der alten nicht achtet. Weil es ein kluges Tier ist, erkennt das Einhorn unfehlbar, daß über das Maß lange Jungfrau zu bleiben ein verdächtig Ding und wider die Natur ist.
     
    Physiologus

Das sechste Kapitel
    Es weckte sie die Hitze. Sie kam zu Bewusstsein von einer Glut, die auf der Haut brannte wie das Eisen des Henkers.
    Sie konnte den Kopf nicht bewegen, etwas hielt ihn fest. Sie gab sich einen Ruck und heulte vor Schmerz auf, als sie fühlte, wie die Haut an der Schläfe riss und aufplatzte. Sie öffnete die Augen. Der Stein, auf dem ihr Kopf geruht hatte, war bräunlich von verkrustetem und getrocknetem Blut. Sie betastete ihre Schläfe, fühlte unter den Fingern einen harten, verklebten Schorf. Der Schorf war an dem Stein festgeklebt und bei ihrer Kopfbewegung abgerissen, jetzt sickerten Blut und Lymphe hervor. Ciri hustete, räusperte sich, spuckte Sand zusammen mit dickem, klebrigem Speichel aus. Sie stützte sich auf die Ellenbogen, dann setzte sie sich auf, schaute sich um.
    Überall umgab sie eine steinige, schwarz-rote, von Rissen und Terrassen zerschnittene Ebene, die sich mancherorts zu Steinhaufen oder zu riesigen Felsblöcken von sonderbaren Formen auftürmte. Über der Ebene, hoch oben, hing eine große, goldene, glühende Sonne, die den ganzen Himmel gelb färbte, durch ihre blendende Helle und das Zittern der Luft die Sicht verzerrte.
    Wo bin ich?
    Sie berührte vorsichtig die aufgeschlagene, angeschwollene Schläfe. Es tat weh. Es tat sehr weh. Ich muss einen tüchtigen Purzelbaum geschlagen haben, dachte sie, gründlich über den Boden geschrammt sein. Auf einmal kam ihr die durchgescheuerte und zerrissene Kleidung zu

Weitere Kostenlose Bücher