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Die Zeit der Verachtung

Die Zeit der Verachtung

Titel: Die Zeit der Verachtung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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seines Thrones herab. Wie üblich kniff er die Augen ein wenig zusammen, um den Mund spielte ihm der Schatten eines spöttischen Lächelns.
    Die Königin von Cintra stolperte zum zweiten Mal. Der Imperator stützte den Ellenbogen auf eine Armlehne des Thrones, berührte mit der Hand die Wange. Er lächelte. Stella Congreve war schon nahe genug, um dieses Lächeln zu erkennen. Sie erstarrte vor Entsetzen. Etwas stimmt nicht, dachte sie erschrocken, etwas stimmt nicht. Es werden Köpfe fallen. Bei der Großen Sonne, es werden Köpfe fallen  ...
    Sie gewann ihre Geistesgegenwart wieder, verneigte sich, zwang das Mädchen, einen Knicks zu machen.
    Emhyr var Emreis stand nicht vom Thron auf. Doch er neigte ein wenig den Kopf. Die Höflinge hielten den Atem an.
    »Königin«, sagte Emhyr. Das Mädchen zog die Schultern ein. Der Imperator schaute sie nicht an. Er blickte auf den im Saal versammelten Adel.
    »Königin«, wiederholte er. »Ich freue mich, dich in meinem Palast und in meinem Reich begrüßen zu können. Ich gebe dir mein kaiserliches Wort, dass der Tag nahe ist, an dem du alle dir zustehenden Titel zurückerhalten wirst, mitsamt den Ländern, die dein rechtmäßiges Erbe ausmachen, die dir rechtmäßig und unstrittig gehören. Die Usurpatoren, die sich in deinen Ländereien breitgemacht haben, haben mich mit Krieg überzogen. Sie haben mich angegriffen und dabei verkündet, sie verteidigten deine Rechte und gerechte Gründe. Nun soll die ganze Welt erfahren, dass du dich an mich, nicht an sie um Hilfe wendest. Die ganze Welt soll erfahren, dass du hier in meinem Reich die einer souveränen Herrscherin gebührenden Ehren und den königlichen Rang genießt, während du unter meinen Feinden nur eine Vertriebene warst. Die ganze Welt soll wissen, dass du in meinem Reich in Sicherheit bist, während meine Feinde dir nicht nur die Krone absprachen, sondern dir auch nach dem Leben trachteten.«
    Der Blick des Kaisers von Nilfgaard verharrte auf den Gesandten Esterad Thyssens, des Herrschers von Kovir, und auf dem Botschafter Niedamirs, des Königs der Liga von Hengfors.
    »Die ganze Welt soll die Wahrheit erfahren, darunter auch die Könige, die nicht zu wissen schienen, auf wessen Seite Recht und Gerechtigkeit liegen. Und die ganze Welt soll wissen, dass du die Hilfe erhalten wirst. Deine und meine Feinde werden besiegt werden. In Cintra, in Sodden und Brugge, in Attre, auf den Skellige-Inseln und an der Mündung der Yarra wird wieder Friede einkehren, und du wirst zur Freude deiner Landeskinder und aller die Gerechtigkeit liebenden Menschen den Thron besteigen.«
    Das Mädchen in dem blauen Kleid senkte den Kopf noch tiefer.
    »Bis das geschieht«, fuhr Emhyr fort, »wirst du in meinem Reich mit der dir gebührenden Wertschätzung behandelt werden, sowohl von mir als auch von allen meinen Untertanen. Und weil in deinem Königreich noch immer die Flamme des Krieges lodert, verleihe ich dir als Zeichen der Wertschätzung und Freundschaft Nilfgaards den Titel einen Prinzessin Rowan und Ymlac, der Herrin des Schlosses Darn Rowan, wohin du dich nunmehr begeben wirst, um auf ruhigere, glücklichere Zeiten zu warten.«
    Stella Congreve beherrschte sich, sie ließ nicht zu, dass auf ihrem Gesicht auch nur der Schatten von Verwunderung aufschien. Er behält sie nicht bei sich, dachte sie, er verbannt sie nach Darn Rowan, ans Ende der Welt, wo er selbst nie hinkommt. Er hat ganz offensichtlich nicht die Absicht, diesem Mädchen den Hof zu machen, er denkt nicht an eine rasche Vermählung. Ganz offensichtlich will er sie nicht einmal hin und wieder sehen. Warum also hat er sich der Dervla entledigt? Worum geht es hier?
    Sie gab sich einen Ruck, fasste die Prinzessin schnell bei der Hand. Die Audienz war beendet. Als sie den Saal verließen, schaute der Kaiser ihnen nicht nach. Die Höflinge verneigten sich.
    Als sie draußen waren, warf Emhyr var Emreis ein Bein über die Armlehne des Throns.
    »Ceallach«, sagte er. »Zu mir.«
    Der Seneschall blieb in dem vom Zeremoniell geforderten Abstand vom Herrscher stehen, verbeugte sich tief.
    »Näher«, sagte Emhyr. »Komm näher, Ceallach. Ich werde leise sprechen. Und was ich sagen werde, ist ausschließlich für deine Ohren bestimmt.«
    »Euer Majestät  ...«
    »Was ist für heute noch vorgesehen?«
    »Die Entgegennahme der Beglaubigungsschreiben und die Erteilung des förmlichen Exequatur an den Gesandten König Esterads von Kovir«, sagte der Seneschall rasch auf. »Die

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