Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Zeit der Verachtung

Die Zeit der Verachtung

Titel: Die Zeit der Verachtung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
Vom Netzwerk:
Bewusstsein, und sie entdeckte neue Herde des Schmerzes – im Kreuz, auf dem Rücken, am Arm, an den Oberschenkeln. Beim Sturz waren der Staub, der scharfe Sand und Splitt überall hingelangt – in die Haare, in die Ohren, in den Mund wie auch in die Augen, die brannten und tränten. Es brannten die Handflächen und Ellenbogen, wo die Haut bis aufs Fleisch abgeschürft war.
    Vorsichtig und langsam streckte sie die Beine und ächzte abermals, denn das linke Knie reagierte auf die Bewegung mit einem durchdringenden dumpfen Schmerz. Sie betastete es durch das unversehrte Leder der Hose hindurch, fühlte aber keine Schwellung. Beim Einatmen spürte sie ein bösartiges Stechen in der Seite, und der Versuch, den Rumpf zu beugen, ließ sie beinahe aufschreien, von einem scharfen Krampf durchzuckt, der sich im unteren Teil des Rückens meldete. Ich bin vielleicht zerschlagen, dachte sie. Aber gebrochen habe ich mir anscheinend nichts. Wenn ich mir Knochen gebrochen hätte, würde es schlimmer wehtun. Ich bin heil, nur ein bisschen lädiert. Ich werde aufstehen können. Und werde es tun.
    Ganz langsam, mit vorsichtigen Bewegungen änderte sie ihre Haltung, kniete sich unbeholfen hin, wobei sie das zerschlagene Knie zu schonen versuchte. Dann stellte sie sich auf alle viere, stöhnend, ächzend und fauchend. Schließlich, nach einer Zeit, die ihr wie eine Ewigkeit vorkam, stand sie auf. Nur um sofort schwer auf die Steine zu stürzen, denn ihr wurde schwarz vor Augen, und der Schwindel riss ihr augenblicklich die Beine weg. Sie spürte eine heftige Welle von Übelkeit und legte sich auf die Seite. Die aufgeheizten Steinbrocken brannten wie glühende Kohlen.
    »Ich werde nicht aufstehen  ...«, schluchzte sie. »Ich kann nicht  ... Ich werde in dieser Sonne verbrennen  ...«
    Im Kopfe hämmerte ein dumpfer, böser, unablässiger Schmerz. Jede Bewegung ließ ihn stärker werden, also hörte Ciri auf, sich zu bewegen. Sie bedeckte den Kopf mit dem Arm, doch die Hitze wurde rasch unerträglich. Sie erkannte, dass sie trotz allem vor dieser Hitze fliehen musste. Sie überwand den lähmenden Widerstand des geschundenen Körpers, kniff ob des stechenden Schmerzes in den Schläfen die Augen zusammen und kroch auf allen vieren zu einem der größeren Felsbrocken hin, den die Winde in die Gestalt eines sonderbaren Pilzes geschliffen hatten, so dass sein formloser Hut ein wenig Schatten spendete. Hustend und schniefend krümmte sie sich zusammen.
    Lange lag sie so da, bis die am Himmel entlangziehende Sonne sie wieder mit dem herabströmenden Feuer erreichte. Sie rutschte auf die andere Seite des Felsens, nur um festzustellen, dass es nichts nützte. Die Sonne stand im Zenit, der steinerne Pilz spendete praktisch keinen Schatten mehr. Sie presste die Hände gegen die vor Schmerz berstenden Schläfen.
    Sie wurde von einem Zittern geweckt, das ihren ganzen Körper erfasst hatte. Die Feuerkugel der Sonne hatte den blendenden Goldschein verloren. Jetzt, da sie schon tiefer stand, über den zerklüfteten, gezackten Felsen, war sie orange. Die Hitze hatte etwas nachgelassen.
    Ciri setzte sich mit Mühe auf, schaute sich um. Der Kopfschmerz war zurückgegangen, nahm ihr nicht mehr die Sicht. Sie betastete den Kopf und stellte fest, dass die Hitze den Grind an der Schläfe verbrannt und ausgetrocknet und eine feste, glatte Schale daraus gemacht hatte. Doch noch immer tat ihr der ganze Körper weh, es schien darin keine heile Stelle zu geben. Sie hustete, fühlte den Sand zwischen den Zähnen knirschen, versuchte auszuspucken. Vergeblich. Sie lehnte sich mit dem Rücken gegen den pilzförmigen Felsen, der noch immer heiß von der Sonne war. Endlich hat die Hitze aufgehört, dachte sie. Jetzt, da die Sonne nach Westen geht, ist es schon auszuhalten, aber nicht lange  ...
    Bald wird die Nacht hereinbrechen.
    Sie zuckte zusammen. Wo, zum Teufel, bin ich? Wie komme ich hier weg? Und wohin? Wohin soll ich gehen? Oder vielleicht rühre ich mich nicht vom Fleck, vielleicht warte ich, bis man mich findet? Denn sie werden mich ja suchen. Geralt. Yennefer. Sie werden mich ja nicht alleinlassen  ...
    Wieder versuchte sie auszuspucken, und wieder wurde nichts daraus. Und da verstand sie.
    Durst.
    Sie entsann sich. Schon seinerzeit während der Flucht hatte Durst sie gequält. Am Sattelknauf des Rappen, den sie auf der Flucht aus Garstang geritten hatte, ehe sie zum Möwenturm lief, hatte eine hölzerne Flasche gehangen, sie erinnerte sich genau

Weitere Kostenlose Bücher