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Die Zeit der Verachtung

Die Zeit der Verachtung

Titel: Die Zeit der Verachtung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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steckten fest. Als es bis zum Grunde des Trichters gerutscht war, packten es die grausamen Zangen des im Sande verborgenen Geschöpfs.
    Als sie den wilden Schmerzensschrei hörte, brüllte Ciri wütend auf und stürzte sich hinab, wobei sie den Dolch aus der Scheide riss. Sobald sie unten war, erkannte sie, dass sie einen Fehler gemacht hatte. Das Ungeheuer lag tief verborgen, die Dolchstiche erreichten es nicht durch die Sandschicht. Zu allem Übel war das Einhorn, von den monströsen Scheren gepackt und in die sandige Falle herabgezogen, vor Schmerz wahnsinnig, es schrie, stieß blindlings mit den Vorderhufen zu und drohte Ciri die Knochen zu brechen.
    Die Tänze und Kunststücke der Hexer nützten hier nichts. Doch es gab einen ziemlich einfachen Zauberspruch. Ciri rief die 
Kraft
 herbei und schlug mit Telekinese zu.
    Eine Sandwolke schoss empor und enthüllte das verborgene Ungeheuer, das ein Bein des Einhorns umklammert hielt. Ciri schrie entsetzt auf. Etwas derart Hässliches hatte sie noch nie im Leben gesehen, auf keiner Illustration, in keinem Hexerbuch. Etwas derart Abscheuliches hatte sie sich nicht einmal vorzustellen vermocht.
    Das Ungeheuer war graubraun, länglich und angeschwollen wie eine mit Blut vollgesogene Wanze; die schmalen Segmente des fassförmigen Körpers bedeckten spärliche Stoppeln. Beine schien es überhaupt nicht zu haben, dafür waren die Scheren fast so lang wie es selbst.
    Das seiner Sandbedeckung beraubte Geschöpf ließ sogleich das Einhorn los und begann, sich mit schnellen, heftigen Zuckungen des aufgedunsenen Körpers einzugraben. Das gelang ihm ausnehmend gut, und das aus dem Trichter herausstrebende Einhorn half ihm auch noch, indem es Sandlawinen herabstieß. Ciri wurde von Wut und Rachedurst erfasst. Sie stürzte sich auf das unter dem Sand kaum noch sichtbare Scheusal und stieß den Dolch in den gewölbten Rücken. Sie griff von hinten an, hielt sich wohlweislich von den auf- und zugehenden Scheren fern, mit denen das Ungeheuer, wie sich zeigte, ziemlich weit nach hinten reichen konnte. Sie stieß abermals zu, und das Geschöpf grub sich mit unheimlicher Geschwindigkeit ein. Doch es tat es nicht, um zu fliehen. Sondern um anzugreifen. Um sich vollends zu verbergen, genügten ihm zwei weitere Zuckungen. Dies getan, stieß es mit Macht eine Welle Kies los, der Ciri fast bis zu den Hüften begrub. Sie riss sich los und warf sich nach hinten, doch sie konnte nirgendwohin entkommen – es war noch immer ein Trichter in dem lockeren Sand, jede Bewegung zog sie nach unten. Der Sand am Grunde aber wallte in einer auf sie zulaufenden Woge auf, aus der Woge streckten sich auf- und zuklappende, mit scharfen Haken bewehrte Scheren heraus.
    Es rettete sie Pferdchen. Zum Boden des Trichters gerutscht, schlug das Einhorn mit Macht auf die Wölbung im Sand ein, die das darunter verborgene Ungeheuer verriet. Von den wilden Hufschlägen wurde der graue Rücken freigelegt. Das Einhorn senkte den Kopf und nagelte das Scheusal mit dem Horn fest, zielsicher, an der Stelle, wo der scherenbewehrte Kopf in den aufgedunsenen Körper überging. Als sie sah, wie die Zangen des zu Boden gedrückten Monsters ohnmächtig im Sande wühlten, sprang Ciri hinzu und hieb den Dolch mit ganzer Kraft in den zuckenden Körper. Sie riss die Klinge heraus, stieß wieder zu. Und wieder. Das Einhorn riss sein Horn heraus und ließ die Vorderhufe mit Wucht auf den fassförmigen Körper prallen.
    Das Monster versuchte nicht länger, sich einzugraben. Es bewegte sich überhaupt nicht mehr. Der Sand ringsum wurde von einer grünlichen Flüssigkeit durchnetzt.
    Nicht ohne Mühe kletterten sie aus dem Trichter heraus. Nachdem sie sich ein paar Schritte entfernt hatte, ließ sich Ciri kraftlos in den Sand fallen, atmete schwer und zitterte unter den Wellen von Adrenalin, die Kehle und Schläfen angriffen. Das Einhorn ging im Bogen um sie herum. Es schritt schwerfällig, aus der Wunde am Bein rann ihm Blut hinunter zur Fessel, dass die Schritte von einer blutigen Spur markiert wurden. Ciri kam auf alle viere und übergab sich heftig. Nach einer Weile stand sie auf, ging wankend zu dem Einhorn, doch Pferdchen ließ sich nicht berühren. Es lief weg, worauf es sich auf die Seite legte und im Sand wälzte. Und dann säuberte es das Horn, indem es es mehrfach in den Sand stieß.
    Ciri reinigte ihrerseits die Dolchklinge und wischte sie ab, wobei sie immer wieder unruhige Blicke zu dem nahen Trichter warf. Das Einhorn stand

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