Die Zeit der Verachtung
fragen!«
»Es geht um mein’ Gewinn und mein’ Kopf, dass ich sie heil abliefre! Der Präfekt in Amarillo ...«
»Wir scheißen auf deinen Präfekten. Du hast auf unsere Kosten getrunken, und dann gönnst du uns nicht mal ’nen kleinen Fick? He, Flenner, sei kein Frosch! Wirst nicht den Kopf verlieren, nur keine Angst, und deine Belohnung kriegst du auch. Du wirst sie heil abliefern. ’n Mädel ist keine Fischblase, die platzt nicht, wenn man reinstößt!«
Die Nissire brachen in brüllendes Lachen aus. Flenners Gefährten fielen ein. Ciri erzitterte, wurde bleich, hob den Kopf.
Kayleigh lächelte spöttisch. »Du hast es kapiert?«, zischte er. »Wenn sie sich betrunken haben, nehmen sie sich dich vor. Misshandeln dich. Wir sitzen im selben Boot. Tu, was ich dir gesagt hab. Wenn ich es schaffe, schaffst du es auch ...«
»Das Essen ist fertig!«, rief der Wirt. Er hatte keinen Nilfgaarder Akzent. »Kommt her, Fräuleinchen!«
»Ein Messer«, flüsterte Ciri, während sie die Schüssel von ihm entgegennahm.
»Was?«
»Ein Messer. Schnell.«
»Wenn’s dir nicht reicht – hier hast du mehr!«, rief der Wirt unnatürlich laut, während er zum Tisch hinlugte und noch etwas Brei in die Schüssel tat. »Geh, bitte.«
»Ein Messer.«
»Geh, sonst ruf ich die ... Ich kann nicht ... Sie zünden die Schenke an.«
»Ein Messer.«
»Nein. Du tust mir leid, Tochter, aber ich kann nicht. Ich kann nicht, versteh doch. Geh weg ...«
»Aus dieser Schenke«, wiederholte sie mit zitternder Stimme die Worte Kayleighs, »wird niemand lebendig herauskommen. Ein Messer. Schnell. Und wenn es losgeht, flieh.«
»Halt die Schüssel fest, Tolpatsch!«, rief der Wirt und drehte sich so, dass er Ciri verdeckte. Er war blass und klapperte ein wenig mit den Zähnen. »Näher an die Pfanne!«
Sie fühlte die kalte Berührung eines Küchenmessers, das er ihr hinter den Gürtel schob, wobei er den Griff mit der Jacke verdeckte.
»Sehr gut«, zischte Kayleigh. »Setz dich so, dass du mich verdeckst. Stell mir die Schüssel auf die Knie. In die linke Hand nimmst du den Löffel, in die rechte das Messer. Und säg die Fesseln durch. Nicht da, Dumme. Unterm Ellenbogen, am Pfosten. Pass auf, sie schauen her.«
Ciri fühlte, wie trocken ihre Kehle war. Sie senkte den Kopf fast bis zur Schüssel.
»Füttere mich und iss selber.« Die grünen Augen fixierten sie unter halb gesenkten Lidern hervor, hypnotisierten. »Und säge, säge. Nur Mut, Kleine. Wenn ich es schaffe, schaffst du es auch ...«
Das ist wahr, dachte Ciri, während sie an den Fesseln schnitt. Das Messer stank nach Eisen und Zwiebeln, die Schneide war vom vielen Schärfen eingebuchtet. Er hat recht. Was weiß ich, wohin mich diese Schurken bringen? Was weiß ich, was dieser Nilfgaarder Präfekt von mir will? Vielleicht erwartet auch mich in diesem Amarillo der Henker, vielleicht warten da Rad, Streckbank und Zangen, rotes Eisen ... Ich lasse mich nicht wie ein Schaf zur Schlachtbank führen. Dann schon lieber etwas wagen ...
Krachend flog das Fenster ins Zimmer, zusammen mit dem Rahmen und einem von draußen hereingeworfenen Hackklotz, alles landete auf dem Tisch und richtete Verwüstungen unter den Schüsseln und Krügen an. Dem Hackklotz hinterher sprang ein blondes Mädchen mit kurz geschnittenem Haar in rotem Wams und glänzenden Stiefeln, die bis über die Knie reichten. Noch während sie auf dem Tisch kauerte, ließ sie das Schwert kreisen. Einer von den Nissiren, der langsamste, der es nicht geschafft hatte, auf- und nach hinten zu springen, stürzte mitsamt der Bank zurück, und aus seiner aufgeschlitzten Kehle sprudelte Blut. Das Mädchen ließ sich geschickt vom Tisch fallen, machte einem durchs Fenster hereinspringenden Burschen in einem kurzen, bestickten Halbpelz Platz.
»Die Rattään!!«, schrie Vercta und mühte sich mit dem Schwert ab, das sich im Gürtel verfangen hatte.
Der Dicke mit dem Haarschopf zog die Waffe, sprang zu dem am Boden knienden Mädchen hin, holte aus, doch das Mädchen parierte auch auf den Knien geschickt den Hieb, warf sich zurück, und der im Halbpelz, der nach ihr hereingesprungen war, versetzte mit Schwung dem Nissir einen Schlag gegen die Schläfe. Der Dicke fiel zu Boden und wurde plötzlich schlaff wie ein ausgekippter Strohsack.
Die Tür der Schenke wurde mit einem Fußtritt aufgestoßen, die beiden nächsten Ratten stürmten in die Stube. Der erste war hochgewachsen und schwarzhaarig, er trug
Weitere Kostenlose Bücher