Die Zeit der Verachtung
schlag ich ihm raus, der lausign Ratte!«, brüllte Flenner. »Die Beine reiß ich ihm vom Arsch ab, beide!«
»Komm her und hör auf, ihm die Fresse zu polieren.« Der Nissir setzte sich, trank mit einem Zug den Humpen Bier leer, wischte sich den Bart ab. »Mit deiner Gefangenen kannst du machen, was du willst, aber von unserem lass die Finger. Und du, Kayleigh, spiel nicht den Draufgänger. Sitz still und fang an, übers Schafott nachzudenken, das der Baron Lutz in der Stadt schon hat aufstellen lassen. Die Liste der Sachen, die der Henker auf diesem Schafott mit dir machen wird, ist schon geschrieben, und die ist drei Ellen lang, kannste glauben. Die halbe Stadt schließt schon Wetten ab, bis zu welchem Punkt du durchhältst. Also schon deine Kräfte, Ratte. Ich will selber ’nen kleinen Betrag setzen und hoffe, dass du mich nicht enttäuschst und mindestens bis zur Kastration durchhältst.«
Kayleigh spuckte aus, wandte den Kopf ab, soweit es der am Halse zusammengezogene Riemen erlaubte. Flenner rückte den Gürtel zurecht, bedachte die auf dem Schemel zusammengekauerte Ciri mit einem feindseligen Blick, worauf er sich zu der Gesellschaft an den Tisch setzte und fluchte, weil auf dem vom Wirt gebrachten Krug nur noch Spuren von Schaum waren.
»Wie habt ihr Kayleigh erwischt?«, fragte er und gab dem Wirt ein Zeichen, dass er die Bestellung erweitern wolle. »Noch dazu lebendig? Denn dass ihr die übrigen Ratten abgemurkst habt, glaub ich nicht.«
»In Wahrheit«, erwiderte Vercta und musterte kritisch das, was er gerade aus der Nase gepolkt hatte, »hatten wir Glück, weiter nichts. Er hatte sich von der Bande entfernt und war über Nacht zu ’nem Weibsbild nach Neuschmiede geritten. Der Schultheiß wusste, dass wir in der Nähe sind, und hat Bescheid gegeben. Wir haben es vor Tagesanbruch geschafft, ihn im Heu erwischt, er konnte sich nicht mal mucksen.«
»Und mit seinem Weibsbild haben wir uns allesamt vergnügt.« Der mit dem Haarschopf lachte brüllend. »Wenn Kayleigh es ihr nachts nicht richtig besorgt hat, ist sie trotzdem nicht zu kurz gekommen. Wir haben’s ihr am Morgen besorgt, dass sie danach weder Hand noch Fuß regen konnte.«
»Was seid ihr doch für Einfaltspinsel«, erklärte Flenner laut und spöttisch. »Da habt ihr gutes Geld verbumst, ihr Dummköpfe. Statt Zeit an das Weib zu verschwendn, hättet ihr ’n Eisn heiß machn und die Ratte verhörn solln, wo die Bande übernachtet. Ihr hättet sie alle kriegn könn’, Giselher und Reef ... Für Giselher habm die Varnhagens von Sarda schon voriges Jahr zwanzig Florin gebotn. Und für diese Vettel, wie heißt sie doch ... Mistel oder so ... Für die würde der Präfekt noch mehr gebm nach dem, was sie bei Druigh mit seim Neffn gemacht habm, wo die Rattn ’nen Geleitzug aufgemischt habm.«
Vercta verzog das Gesicht. »Entweder bist du von Natur aus dumm, Flenner, oder das harte Leben hat dir den Verstand aus’m Schädel gefressen. Wir sind zu sechst. Wir sollten zu sechst gegen die ganze Bande losschlagen, oder was? Aber die Belohnung entgeht uns trotzdem nicht. Baron Lutz wird Kayleigh im Knast die Hölle heiß machen, da ist ihm die Zeit nicht zu schade, kannste glauben. Kayleigh wird alles ausspucken, denen ihre Treffpunkte und Schlupfwinkel verraten, dann gehen wir mit großer Mannschaft hin, umzingeln sie und holen sie raus wie Krebse aus dem Netz.«
»Von wegn. Die werdn grade wartn. Sie erfahrn, dass ihr Kayleigh geschnappt habt, und suchn sich andre Verstecke und Schlupfwinkel. Nein, Vercta, du musst der Wahrheit ins Auge blickn: Ihr habt’s vermasselt. Habt die Belohnung gegn ’ne Möse eingetauscht. So seid ihr, wir kenn’ euch ... nichts wie Mösen im Kopf.«
»Selber Möse!« Vercta sprang auf. »Wenn du’s so eilig hast, dann mach selber auf die Ratten Jagd mitsamt deinen Helden! Aber pass auf, sich mit den Ratten anlegen, Herr Nilfgaarder Knecht, ist was andres, als minderjährige Mädchen greifen!«
Die Nissire und die Greifer begannen zu schreien und einander zu beschimpfen. Der Wirt brachte schleunigst das Bier, riss dem Dicken mit dem Haarschopf den leeren Krug aus den Händen, mit dem der schon gegen Flenner ausholte. Das Bier glättete die Wogen rasch, kühlte die Kehlen und besänftigte die Gemüter.
»Bring was zu essen!«, rief der Dicke dem Wirt zu. »Rührei mit Wurst, Bohnen, Brot und Käse!«
»Und Bier!«
»Was guckst du so bedeppert, Flenner? Wir sind heute bei Kasse! Wir haben
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