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Die Zeit der Verachtung

Die Zeit der Verachtung

Titel: Die Zeit der Verachtung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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wo hinter den gähnenden Löchern der Augenhöhlen bläuliches Feuer brennt. Der zerfetzte Mantel weht. Auf dem rostbedeckten Brustharnisch klappert die Halsberge, leer wie altes Bohnenstroh. Einst waren dort Edelsteine eingesetzt. Doch sie sind während der wilden Jagden am Himmel entlang herausgefallen. Und zu Sternen geworden  ...
    Das ist nicht wahr! Das gibt es nicht! Das ist ein Albtraum, ein Trugbild, eine Täuschung! Das kommt mir nur so vor!
    Der König der Wilden Jagd hält das Hengstskelett an, bricht in wildes, entsetzliches Gelächter aus.
    Kind des Älteren Blutes! Du gehörst zu uns! Du bist eine von uns! Schließ dich unserem Trupp an, schließ dich der Wilden Jagd an! Du wirst jagen, jagen bis zum Ende, bis in alle Ewigkeit, bis zum Ende des Seins! Du gehörst uns, sternäugige Tochter des Chaos! Schließ dich uns an, erfahre die Freude der Wilden Jagd! Du bist unser, bist eine von uns! Unter uns ist dein Platz!
    »Nein!«, schrie sie. »Geht fort! Ihr seid Leichen!«
    Der König der Wilden Jagd lacht, es klappern die verfaulten Zähne über dem verrosteten Kragen der Rüstung. Blau flammen die Augenhöhlen in den Totenköpfen.
    Ja, wir sind Leichen. Du aber bist der Tod.
    Ciri schmiegte sich an den Hals des Pferdes. Sie brauchte es nicht anzutreiben. Das Tier spürte hinter sich die heranziehenden Gespenster und sprengte in halsbrecherischer Karriere den Damm entlang.
     
    Bernie Hofmeier, Halbling, Farmer von Hirundum, hob den Lockenkopf und lauschte dem fernen Echo des Donners.
    »Eine gefährliche Sache«, sagte er, »so ein Gewitter ohne Regen. Irgendwo schlägt der Blitz ein, und schon brennt es  ...«
    »Ein bisschen Regen käme zupass«, seufzte Rittersporn, während er die Wirbel der Laute ein Stück weiterdrehte, »denn die Luft kann man schon mit dem Messer schneiden  ... Das Hemd klebt am Rücken, die Mücken stechen  ... Aber es wird sich wohl verlaufen. Das Gewitter hat seine Kreise gezogen, aber seit einiger Zeit blitzt es irgendwo im Norden. Wahrscheinlich überm Meer.«
    »Es zieht sich über Thanedd zusammen«, bestätigte der Halbling. »Das ist der höchste Punkt in der Gegend. Dieser Turm auf der Insel, Tor Lara, zieht Blitze verdammt stark an. Bei einem ordentlichen Gewitter sieht es aus, als stünde er in Flammen. Ein Wunder, dass er nicht in Stücke zerspringt  ...«
    »Das ist Magie«, stellte der Troubadour im Brustton der Überzeugung fest. »Auf Thanedd ist alles magisch, sogar der Fels selber. Aber die Zauberer haben keine Angst vor Blitzen. Ja, was sag ich! Weißt du, Bernie, dass sie Blitze einzufangen vermögen?«
    »Na weißt du! Das lügst du, Rittersporn.«
    »Soll mich der Donner  ...« Der Dichter verstummte mit einem unruhigen Blick gen Himmel. »Soll mich der Hahn hacken, wenn ich lüge. Ich sage dir, Hofmeier, die Magier fangen Blitze. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen. Der alte Gorazd, der, den sie später auf der Anhöhe von Sodden umgebracht haben, hat einmal vor meinen Augen einen Blitz eingefangen. Er hat ein langes Stück Draht genommen, das eine Ende an der Spitze seines Turmes befestigt, das andere aber  ...«
    »Das andere Ende muss man in eine Flasche stecken«, piepste plötzlich von der Veranda her Hofmeiers Sohn, ein ganz kleiner Halbling mit einem Haarschopf dicht und kraus wie ein Schafsfell. »In eine runde Glasflasche wie die, in denen der Papa Wein brennt. Der Blitz huscht durch den Draht in die Flasche  ...«
    »Ins Haus, Franklin!«, rief der Farmer. »Ins Bett, schlafen, aber plötzlich! Es ist gleich Mitternacht, und morgen gibt’s Arbeit! Und wenn ich dich erwische, wie du dir während eines Gewitters mit Drähten oder Flaschen zu schaffen machst, dann setzt’s was mit dem Riemen, dass du zwei Wochen lang nicht auf dem Hintern sitzen kannst! Petunia, hol ihn dort weg! Und uns bring noch etwas Bier!«
    »Ihr habt genug«, sprach Petunia Hofmeier zornig, während sie den Sohn von der Veranda holte. »Ihr habt schon genug gesüffelt.«
    »Mecker nicht. Jeden Augenblick kann der Hexer heimkommen. Es gehört sich, den Gast zu bewirten.«
    »Wenn der Hexer zurückkommt, bringe ich welches. Für ihn.«
    »Oh, was für ein geiziges Weib«, knurrte Hofmeier, aber so, dass seine Frau es nicht hörte. »Ganz wie ihre Sippschaft, die Biberveldts von der Au, die einer wie der andere die Knickrigkeit erfunden haben  ... Aber der Hexer lässt sich irgendwie lange nicht blicken. Seit er zu den Teichen gegangen ist, ist er wie vom

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