Die Zeit der Verachtung
Ich reite nach Hirundum. Denn ich muss Geralt sehen.
Wieder blitzte es.
Zwischen ihr und dem Abhang stand ein schwarzes Pferd. Und darauf saß ein Ritter mit einem Helm, der mit den Flügeln eines Raubvogels verziert war. Die Flügel beginnen plötzlich zu schlagen, der Vogel steigt zum Flug auf ...
Cintra!
Lähmende Angst. Die Hände um den Zügelriemen gekrallt, dass es schmerzt. Ein Blitz. Der schwarze Ritter spornt sein Pferd an. Statt eines Gesichts hat er eine gespenstische Maske. Die Flügel schlagen ...
Das Pferd fiel von selbst in Galopp. Dunkelheit, von Blitzen zerrissen. Der Wald endet. Unter den Hufen das Plätschern und Schmatzen von Morast. Hinter ihr rauschen die Flügel des Raubvogels. Immer näher ... Näher ...
Wütender Galopp, vom Tempo tränen die Augen. Blitze zerreißen den Himmel, in ihrem Lichte sieht Ciri Erlen und Weiden zu beiden Seiten der Straße. Doch das sind keine Bäume. Das sind die Diener des Erlkönigs. Die Diener des schwarzen Ritters, der hinter ihr galoppiert, die Flügel des Raubvogels rauschen an seinem Helm. Die missgestalteten Ungeheuer zu beiden Seiten der Straße strecken die knorrigen Arme nach ihr aus, lachen wild aus den aufgerissenen schwarzen Rachen der Astlöcher. Ciri legt sich auf den Pferdehals. Die Äste pfeifen, peitschen, klammern sich an ihre Kleidung. Die krummen Stämme knarren, die Astlöcher klappern, brechen in höhnisches Gelächter aus ...
Löwenjunges von Cintra! Kind des Älteren Blutes!
Der schwarze Ritter ist schon hinter ihr, Ciri spürt, wie seine Hand versucht, sie an den Haaren zu packen. Das von einem Schrei vorangetriebene Pferd wirft sich nach vorn, nimmt mit jähem Sprung ein unsichtbares Hindernis, bricht krachend durch Unterholz, stolpert ...
Sie zog die Zügel an, lehnte sich im Sattel zurück, wendete das schnaubende Pferd. Sie schrie wild, wütend. Sie riss das Schwert aus der Scheide, ließ es überm Kopfe wirbeln. Das ist nicht mehr Cintra! Ich bin kein Kind mehr! Ich bin nicht mehr wehrlos! Ich erlaube nicht ...
»Ich erlaube es nicht! Du wirst mich nicht mehr anrühren! Du wirst mich niemals anrühren!«
Das Pferd landete mit Klatschen und Plätschern im Wasser, das ihm bis zum Bauch reichte. Ciri beugte sich vor, schrie, stieß dem Tier die Fersen in die Flanken, riss es auf den Damm zurück. Teiche, dachte sie. Fabio hat von Fischteichen gesprochen. Das ist Hirundum. Ich bin da. Ich verirre mich nicht ...
Ein Blitz. Hinter ihr der Damm, voraus die schwarze Wand des Waldes, gen Himmel gezackt wie eine Säge. Und niemand. Die Stille wird nur vom Heulen des Windes unterbrochen. Irgendwo in den Sümpfen schnattert eine erschrockene Ente.
Niemand. Auf dem Damm ist niemand. Niemand verfolgt mich. Es war ein Trugbild, ein Albtraum. Eine Erinnerung an Cintra. Es ist mir nur so vorgekommen.
In der Ferne ein Lichtschein. Eine Laterne. Oder ein Feuer. Das ist die Farm. Hirundum. Es ist nicht mehr weit. Nur noch eine Anstrengung ...
Ein Blitz. Einer, noch einer, ein dritter. Ohne Donner. Der Wind erstirbt plötzlich. Das Pferd wiehert, wirft den Kopf hin und her und bäumt sich auf.
Am schwarzen Himmel erscheint ein milchiges, rasch heller werdendes Band, gekrümmt wie eine Schlange. Wieder stößt der Wind in die Weiden, wirbelt vom Damm staubige Blätter und vertrocknetes Gras auf.
Der ferne Lichtschein verschwindet. Er versinkt und verschwimmt im Gefolge einer Milliarde blauer Feuerchen, von denen plötzlich die gesamte Sumpflandschaft aufflammt und brennt. Das Pferd schnaubt, wiehert, geht den Damm entlang durch. Ciri hält sich mit Mühe im Sattel.
Auf dem sich am Himmel einherwindenden Band erscheinen undeutlich die schrecklichen Umrisse von Reitern. Sie kommen immer näher, sind immer deutlicher zu sehen. Es wanken die Stierhörner und die zerzausten Federbüsche auf den Helmen, unter den Helmen glänzen weiß Totenköpfe. Die Reiter sitzen auf Pferdeskeletten, an denen die Schabracken in Fetzen hängen. Ein wütender Wind heult in den Weiden, die Klingen der Blitze zerreißen ohne Unterlass den Himmel. Der Wind heult immer lauter. Nein, das ist nicht der Wind. Das ist der Gesang von Gespenstern.
Die albtraumhafte Kavalkade biegt ab, hält auf sie zu. Unter den Hufen der Gespensterpferde stiebt der Lichtschimmer der blassen Flämmchen, die über den Sümpfen schweben. An der Spitze der Kavalkade galoppiert der König der Wilden Jagd. Ein durchgerosteter Helm schaukelt auf dem Totenkopf,
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