Die Zeit der Verachtung
Brustwarzen zu betrachten, die durch den durchsichtigen Stoff hindurch nur zu gut zu sehen waren. Er blickte vorsichtig zu Yennefer hin. Die Zauberin lächelte, doch er kannte sie zu gut. Sie war wütend.
»Ach, entschuldige«, sagte sie plötzlich. »Ich sehe dort Philippa, mit der muss ich unbedingt reden. Komm, Geralt. Tschüs, Sabrina.«
»Tschüs, Yenna.« Sabrina Glevissig schaute dem Hexer in die Augen. »Ich gratuliere dir nochmals zu deinem ... Geschmack.«
»Danke.« Yennefers Stimme war verdächtig kalt. »Danke, meine Liebe.«
Philippa Eilhart war in Begleitung Dijkstras da. Geralt, der früher einmal flüchtig Kontakt zu dem redanischen Spion gehabt hatte, hätte sich eigentlich freuen müssen – endlich traf er auf einen Bekannten, der wie er nicht zur Bruderschaft gehörte. Doch er freute sich nicht.
»Wie schön, dich zu sehen, Yenna.« Philippa küsste die Luft neben Yennefers Ohrring. »Grüß dich, Geralt. Ihr kennt beide den Grafen Dijkstra, nicht wahr?«
»Wer kennt ihn nicht.« Yennefer neigte den Kopf und reichte Dijkstra die Hand, die der Spion ehrerbietig küsste. »Ich bin froh, Euch wiederzusehen, Graf.«
»Die Freude ist ganz meinerseits«, versicherte der Chef der Geheimdienste König Wisimirs, »dich wiederzusehen, Yennefer. Zumal in so lieber Gesellschaft. Herr Geralt, meine tief empfundene Wertschätzung ...«
Geralt verkniff sich die Versicherung, seine Wertschätzung sei noch tiefer empfunden, drückte die ihm dargebotene Hand – oder versuchte es vielmehr, denn ihre Ausmaße überstiegen das normale Maß und machten einen Händedruck praktisch unmöglich. Der riesenhafte Spion trug ein hellbeiges Doublett, das ziemlich leger aufgeknöpft war. Man sah, dass er sich darin ungezwungen fühlte.
»Ich habe bemerkt«, sagte Philippa, »dass ihr euch mit Sabrina unterhalten habt?«
»Haben wir«, fauchte Yennefer. »Hast du gesehen, was sie anhat? Man darf weder Geschmack noch Schamgefühl haben, um ... Aber lassen wir das. Wenn sie wenigstens was vorzuzeigen hätte! Die widerliche Äffin!«
»Sie hat versucht, euch auszuhorchen? Alle wissen, dass sie für Henselt von Kaedwen spioniert.«
»Was du nicht sagst!« Yennefer tat verwundert, was zu Recht als gelungener Scherz aufgefasst wurde.
»Und Ihr, Herr Graf, amüsiert Euch gut auf unserer Feierlichkeit?«, fragte Yennefer, als Philippa und Dijkstra zu lachen aufgehört hatten.
»Ungewöhnlich gut.« König Wisimirs Spion verbeugte sich galant.
Philippa lächelte. »Wenn wir bedenken, dass der Graf dienstlich hier ist, dann ist diese Feststellung für uns ein unerhörtes Kompliment. Und wie jedes Kompliment solcher Art wenig aufrichtig. Eben noch hat er mir gestanden, dass er ein nettes, heimeliges Halbdunkel vorziehen würde, den Geruch von Fackeln und von am Spieß leicht angebranntem Fleisch. Er vermisst den traditionellen Tisch, auf dem Soße und Bier verschüttet worden sind, auf den man im Rhythmus obszöner Trinklieder den Humpen aufstoßen und unter den man gegen Morgen elegant rutschen kann, um inmitten von an Knochen nagenden Windhunden einzuschlafen. Für meine Argumente aber, die die Überlegenheit unserer Art zu feiern aufzeigten, ist er, stellt euch das vor, taub geblieben.«
»Wirklich?« Der Hexer betrachtete den Spion freundlicher. »Und was waren das für Argumente, wenn man fragen darf?«
Diesmal war es seine Frage, die offensichtlich als gelungener Scherz aufgefasst wurde, denn beide Zauberinnen begannen gleichzeitig zu lachen.
»Ach, Männer«, sagte Philippa. »Nichts versteht ihr. Kann man denn in Halbdunkel und Qualm, wenn man am Tisch sitzt, mit seinem Kleid und seiner Figur imponieren?«
Geralt, der keine Worte fand, verbeugte sich nur. Yennefer drückte ihm sanft den Unterarm.
»Ach«, sagte sie. »Dort sehe ich Triss Merigold. Ich muss unbedingt ein paar Worte mit ihr wechseln ... Entschuldigt, dass wir euch jetzt verlassen. Bis bald, Philippa. Bestimmt finden wir heute noch eine Gelegenheit zum Plaudern. Nicht wahr, Graf?«
»Zweifellos.« Dijkstra lächelte und verneigte sich tief. »Ich stehe zu Diensten, Yennefer. Auf den ersten Wink.«
Sie gingen zu Triss, die in mehreren Nuancen von Blau und Seladon schillerte. Bei ihrem Anblick unterbrach Triss das Gespräch mit zwei Zauberern, lächelte freudig, umarmte Yennefer, und es wiederholte sich das rituelle Küssen der Luft neben den Ohren. Geralt ergriff die ihm dargebotene Hand, beschloss aber, gegen das Zeremoniell zu
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