Die Zeit der Verachtung
obligatorische Vortäuschen eines Kusses auf die Wange und einen unangenehm weichen Händedruck, ein geheucheltes Lächeln und erst recht geheuchelte, aber gut erfundene Komplimente folgte ein kurzes und langweiliges Gespräch über nichts.
Der Hexer schaute sich sehnsüchtig nach bekannten Gesichtern um, hauptsächlich in der Hoffnung, nicht die einzige Person zu sein, die nicht zur Bruderschaft der Zauberer gehörte. Yennefer hatte ihm versichert, er werde nicht der Einzige sein, dennoch hatte er bisher entweder niemanden von außerhalb der Bruderschaft gesehen oder niemanden zu erkennen vermocht.
Pagen trugen auf Tabletts Wein herum, wobei sie zwischen den Gästen lavierten. Yennefer trank überhaupt nichts. Der Hexer hätte gern etwas getrunken, kam aber nicht dazu. Also würde ihn, wenn ihn schon das Doublett unter den Achseln drückte, wenigstens nicht die Blase drücken. Geschickt mit dem Arm steuernd, an dem er sie untergefasst hielt, zog ihn die Zauberin vom Tisch weg und führte ihn in die Mitte des Saales, mitten hinein ins Zentrum des allgemeinen Interesses. Widerstand war zwecklos. Er begriff, worum es ging: Es war eine ganz simple Demonstration.
Geralt wusste, was zu erwarten stand, also ertrug er mit stoischer Ruhe die von ungesunder Neugier erfüllten Blicke der Zauberinnen und das rätselhafte Lächeln der Zauberer. Obwohl ihm Yennefer versichert hatte, dass Herkommen und Takt es verboten, bei solchen Veranstaltungen Magie zu benutzen, glaubte er nicht, dass sich die Magier zurückhalten könnten, zumal Yennefer ihn provokant zur Schau stellte. Ein paarmal spürte er, wie das Medaillon zuckte und magische Impulse ihn berührten. Einige Zauberer – und insbesondere Zauberinnen – versuchten dreist, in seinen Gedanken zu lesen. Er war darauf vorbereitet, wusste, worum es ging, wusste, wie er parieren musste. Er betrachtete die an seiner Seite gehende Yennefer, die weiß-schwarz-brillantene Yennefer mit den lockigen Haaren und den veilchenblauen Augen, und die sondierenden Zauberer gerieten in Verwirrung, verloren zu seiner höchsten Befriedigung sichtlich die Contenance. Ja, antwortete er ihnen in Gedanken, ja, ihr irrt euch nicht. Es gibt nur sie, sie an meiner Seite, hier und jetzt, und nur das zählt. Hier und jetzt. Und was sie früher war, wo sie früher war und mit wem, hat keine, nicht die mindeste Bedeutung. Jetzt ist sie mit mir zusammen, hier, unter euch. Mit mir, mit keinem anderen. Genau so denke ich, der ich immerzu an sie denke, unablässig an sie denke, ihr Parfüm rieche und die Wärme ihres Körpers spüre. Und ihr sollt vor Neid platzen.
Die Zauberin drückte ihm fest die Hand, schmiegte sich leicht an seine Seite. »Danke«, murmelte sie und dirigierte ihn wieder zu den Tischen hin. »Aber ohne übertriebenes Zurschaustellen, bitte.«
»Haltet ihr Zauberer Aufrichtigkeit immer für zur Schau gestellt? Liegt das daran, dass ihr nicht an Aufrichtigkeit glaubt, selbst dann nicht, wenn ihr sie in fremden Gedanken lest?«
»Ja. Daran.«
»Und dennoch dankst du mir?«
»Weil ich dir glaube.« Sie drückte seine Hand noch stärker, griff nach einem Tellerchen. »Leg mir ein wenig Lachs auf, Hexer. Und Krabben.«
»Das sind Krabben aus Poviss. Sie sind sicherlich vor einem Monat gefangen worden, und es herrscht Hitze. Fürchtest du nicht ...«
»Diese Krabben«, unterbrach sie ihn, »sind noch heute Morgen auf dem Meeresgrund umhergekrochen. Teleportation ist eine wunderbare Erfindung.«
»Stimmt. Das müsste man allgemein verbreiten, findest du nicht?«
»Wir arbeiten daran. Leg auf, leg auf, ich habe Hunger.«
»Ich liebe dich, Yen.«
»Ich habe doch gebeten, ohne Zurschaustellen ...« Sie stockte, warf den Kopf zurück, strich sich die schwarzen Locken von der Wange, riss die veilchenblauen Augen auf. »Geralt! Du hast dich mir zum ersten Mal erklärt!«
»Unmöglich. Du machst dich über mich lustig!«
»Nein, mache ich nicht. Früher hast du es nur gedacht, heute hast du es gesagt.«
»Ist das so ein Unterschied?«
»Ein gewaltiger.«
»Yen ...«
»Red nicht mit vollem Mund. Ich liebe dich auch. Habe ich dir das nicht gesagt? Götter, du erstickst! Heb die Hände hoch, ich klopfe dir auf den Rücken. Atmen, tief atmen.«
»Yen ...«
»Atme, atme, gleich ist es vorbei.«
»Yen!«
»Ja. Aufrichtigkeit gegen Aufrichtigkeit.«
»Fühlst du dich wohl?«
»Ich habe gewartet.« Sie träufelte Zitrone auf den Lachs. »Ich konnte ja nicht gut auf
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