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Die Zeit der Verachtung

Die Zeit der Verachtung

Titel: Die Zeit der Verachtung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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kurzem meinte, mich könne nichts mehr überraschen  ... Glaub mir, Vilgefortz, ich werde mich lange an dieses Bankett und an diesen wundersamen Reigen von Ereignissen erinnern. Das ist wahrlich ein Bild wert. Titel: ›Geralt verlässt die Insel Thanedd und kann vor Lachen nicht an sich halten‹.«
    »Ich habe nicht verstanden.« Der Zauberer beugte sich leicht vor. »Ich habe in der Blumigkeit deiner Antwort, die reichlich mit auserlesenen Worten geschmückt war, die Orientierung verloren.«
    »Die Gründe für das Unverständnis sind mir klar. Wir sind zu unterschiedlich, als dass wir einander verstehen könnten. Du bist der mächtige Magier vom Kapitel, der das Einssein mit der Natur erlangt hat. Ich bin ein Vagabund, ein Hexer, ein Mutant, der auf der Welt umherstreift und für Geld Ungeheuer erledigt  ...«
    »Die Blumigkeit«, unterbrach ihn der Zauberer, »ist von Banalität verdrängt worden.«
    »Wir sind zu unterschiedlich«, fuhr Geralt unbeirrt fort. »Und die Kleinigkeit, dass meine Mutter zufällig eine Zauberin war, kann diesen Unterschied auch nicht aufheben. Aber aus reiner Neugier: Wer war deine Mutter?«
    »Ich habe keine Ahnung«, sagte Vilgefortz ruhig.
    Augenblicklich verstummte Geralt.
    »Die Druiden vom Kovir-Kreis«, fuhr der Zauberer nach einem Moment fort, »haben mich in Lan Exeter im Rinnstein gefunden. Sie haben sich meiner angenommen und mich großgezogen. Zum Druiden, versteht sich. Weißt du, was ein Druide ist? Das ist so eine Art Mutant, ein Vagabund, der auf der Welt umherstreift und sich vor heiligen Eichen verneigt.«
    Der Hexer schwieg.
    »Und dann«, fuhr Vilgefortz fort, »kamen im Laufe gewisser Druidenrituale meine Fähigkeiten zum Vorschein. Fähigkeiten, die es erlauben würden, meine Herkunft offensichtlich und unbestreitbar zu bestimmen. Es hatten mich, natürlich zufällig, zwei Menschen gezeugt, von denen mindestens einer ein Zauberer war.«
    Geralt schwieg.
    »Derjenige, der meine bescheidenen Fähigkeiten entdeckte, war natürlich ein Zauberer, dem ich zufällig begegnet war«, fuhr Vilgefortz ruhig fort. »Und derselbe fand sich bereit, mir einen riesigen Gefallen zu tun: Er schlug mir vor, mich auszubilden und zu vervollkommnen, so dass ich später in die Bruderschaft der Magier eintreten könnte.«
    »Und du«, sagte der Hexer tonlos, »hast den Vorschlag angenommen.«
    »Nein.« Vilgefortz’ Stimme wurde immer kälter und unangenehmer. »Ich habe ihn auf unhöfliche, geradezu flegelhafte Weise abgelehnt. Ich habe meine ganze Wut auf den Alten abgeladen. Ich wollte, dass er sich schuldig fühlte, mitsamt seiner ganzen magischen Bruderschaft. Schuld natürlich an dem Rinnstein in Lan Exeter, schuld, dass ein schurkischer Magier oder ihrer zwei mich nach der Geburt statt vorher in diesen Rinnstein geworfen hatten. Der Zauberer, versteht sich, hat das, was ich ihm damals sagte, weder verstanden, noch hat es ihn gekümmert. Er hat mit den Schultern gezuckt und ist seiner Wege gegangen, womit er sich selbst und seinesgleichen als gefühllose, arrogante Hundesöhne abstempelte, die nichts als Verachtung verdienen.«
    Geralt schwieg.
    »Die Druiden hatte ich von ganzem Herzen satt«, fuhr Vilgefortz fort. »Also verließ ich die heiligen Eichenhaine und zog in die Welt hinaus. Ich tat verschiedene Dinge. Für manche schäme ich mich noch heute. Schließlich wurde ich Söldner. Mein weiteres Schicksal verlief, wie du dir denken kannst, wie üblich: siegreicher Soldat, geschlagener Soldat, Marodeur, Räuber, Vergewaltiger, Mörder, schließlich ein Flüchtling, der vor dem Strick ans Ende der Welt flieht. Ich floh ans Ende der Welt. Und dort, am Ende der Welt, lernte ich eine Frau kennen. Eine Zauberin.«
    »Pass auf«, flüsterte der Hexer. »Pass auf, Vilgefortz, dass du die gesuchten Ähnlichkeiten nicht zu weit treibst.«
    »Die Ähnlichkeiten haben schon ein Ende.« Der Zauberer senkte den Blick nicht. »Denn ich kam mit dem Gefühl nicht zurecht, das ich für jene Frau empfand. Ihre Gefühle verstand ich meinerseits nicht, und sie gab sich keine Mühe, mir dabei zu helfen. Ich habe sie verlassen. Weil sie promiskuitiv, arrogant, boshaft, gefühllos und kalt war. Weil ich sie nicht dominieren konnte, und mich ihr unterzuordnen war erniedrigend. Ich habe sie verlassen, weil ich wusste, dass sie sich nur für mich interessierte, weil meine Intelligenz, meine Persönlichkeit und das faszinierende Geheimnis, das mich umgab, die Tatsache verdeckten, dass ich kein

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