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Die Zeit der Verachtung

Die Zeit der Verachtung

Titel: Die Zeit der Verachtung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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Zauberer war, dabei pflegte sie ausschließlich Zauberern länger als eine Nacht ihre Gunst zu schenken. Ich habe sie verlassen, weil  ... Weil sie wie meine Mutter war. Plötzlich wurde mir klar, dass meine Empfindung für sie gar keine Liebe war, sondern ein weitaus komplizierteres, starkes, aber schwer einzuordnendes Gefühl: eine Mischung von Furcht, Bedauern, Zorn, Gewissensbissen und Sühneverlangen, ein Gefühl von Schuld, Verlust und Kränkung, ein perverses Verlangen nach Leiden und Reue. Was ich für jene Frau empfand, war Hass.«
    Geralt schwieg. Vilgefortz blickte zur Seite.
    »Ich habe sie verlassen«, fuhr er nach einer Weile fort. »Und ich konnte nicht mit der Leere leben, die mich umfing. Und auf einmal ging mir auf, dass nicht das Fehlen einer Frau jene Leere hervorrief, sondern das Fehlen von dem, was ich seinerzeit gefühlt hatte. Paradox, nicht wahr? Ich brauche wohl nicht zu Ende zu erzählen, du kannst dir den weiteren Verlauf denken. Ich wurde Zauberer. Aus Hass. Und erst da begriff ich, wie dumm ich gewesen war. Ich hatte den Himmel mit den Sternen verwechselt, die sich nachts an der Oberfläche eines Teiches spiegeln.«
    »Wie du zutreffend bemerkt hast, waren die Parallelen zwischen uns nicht vollends parallel«, murmelte Geralt. »Entgegen dem Anschein haben wir wenig miteinander gemein, Vilgefortz. Was wolltest du beweisen, indem du mir diese Geschichte erzähltest? Dass der Weg zu magischer Meisterschaft zwar steil und schwer ist, aber allen zugänglich? Sogar für, verzeih die Parallele, Bankerte und Findelkinder, Vagabunden oder Hexer  ...«
    »Nein«, unterbrach ihn der Zauberer. »Ich hatte nicht vor zu beweisen, dass dieser Weg allen zugänglich sei, denn das ist offensichtlich und längst bewiesen. Ebenso wenig bedurfte die Tatsache eines Beweises, dass es für gewisse Leute einfach keinen anderen Weg gibt.«
    Der Hexer lächelte. »Also habe ich keinen Ausweg? Ich muss mit dir diesen Pakt schließen, der zum Thema eines Bildes werden soll, und Zauberer werden? Nur im Hinblick auf die Genetik? Na, na. Ich kenne die Vererbungslehre ein wenig. Mein Vater, den ich mit recht großer Mühe gefunden habe, war ein Vagabund, ein Simpel, Abenteurer und Schlagedrein. In meinen Genen kann also das Schwert überwiegen statt der Kunkel. Die Tatsache, dass ich mich auch nicht schlecht schlage, scheint das zu bestätigen.«
    »In der Tat« – der Zauberer lächelte spöttisch  –, »der Sand in der Uhr ist fast durchgelaufen, und ich, Vilgefortz von Roggeveen, Meister der Magie, Mitglied des Kapitels, unterhalte mich noch immer, und nicht ohne Vergnügen, mit einem Simpel und Schlagedrein, Sohn eines Simpels, Schlagedreins und Vagabunden. Wir sprechen von Dingen und Angelegenheiten, die, wie allgemein bekannt, das übliche Thema an den Lagerfeuern simpler Schlagedreins sind. Wie zum Beispiel Genetik. Woher kennst du überhaupt dieses Wort, mein Schlagedrein? Aus der Tempelschule in Ellander, wo sie einem beibringen, silbenweise zu lesen und vierundzwanzig Runen zu schreiben? Was hat dich bewogen, Bücher zu lesen, in denen man derlei Wörter finden kann? Wo hast du deine Rhetorik und Beredsamkeit geschliffen? Und wozu hast du das getan? Um mit Vampiren Konversation zu treiben? Du mein erblich belasteter Vagabund, dem Tissaia de Vries zulächelt. Du mein Hexer, Schlagedrein, der Philippa Eilhart derart fasziniert, dass ihr geradezu die Hände zittern. Bei dessen Erwähnung Triss Merigold rot anläuft. Von Yennefer von Vengerberg will ich gar nicht reden.«
    »Es ist vielleicht gut, dass du nicht von ihr reden willst. In der Uhr ist praktisch so wenig Sand verblieben, dass man beinahe die Körner zählen kann. Male nicht noch mehr Bilder, Vilgefortz. Sag, worum es dir geht. Sag es mir in einfachen Worten. Stell dir vor, dass wir am Lagerfeuer sitzen, zwei Vagabunden, ein Ferkel braten, das wir eben erst gestohlen haben, und vergebens versuchen, uns mit Birkensaft zu betrinken. Es wird eine einfache Frage gestellt. Antworte. Von Vagabund zu Vagabund.«
    »Wie lautet diese einfache Frage?«
    »Was für einen Pakt schlägst du mir vor? Was für eine Übereinkunft sollen wir treffen? Warum möchtest du mich bei deinem Haufen haben, Vilgefortz? In deinem Kessel, wo es, wie mir scheint, zu kochen anfängt? Was liegt hier in der Luft?«
    »Hmm.« Der Zauberer überlegte oder gab vor zu überlegen. »Die Frage ist nicht einfach, doch ich will eine Antwort versuchen. Aber nicht von Vagabund zu

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