Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Zeit der Verachtung

Die Zeit der Verachtung

Titel: Die Zeit der Verachtung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
Vom Netzwerk:
und nahm dem Beißer mit einem kräftigen Fußtritt die Möglichkeit, weiter zu beißen.
    Da kam außer Atem Rittersporn die Treppe heraufgelaufen, sah, was vor sich ging, und wurde kreidebleich.
    »Geralt!«, schrie er nach einem Moment. »Ciri ist verschwunden! Sie ist weg!«
    »Das hatte ich erwartet.« Der Hexer teilte mit dem Knüppel einen Schlag an den nächsten Redanier aus, der keine Ruhe geben wollte. »Und du lässt vielleicht auf dich warten, Rittersporn. Ich habe dir gestern gesagt, wenn irgendwas passiert, sollst du, was die Beine hergeben, nach Aretusa kommen! Hast du mein Schwert mitgebracht?«
    »Beide!«
    »Das andere ist Ciris Schwert, du Idiot.« Geralt verpasste dem Strolch eins, der von der Agave aufzustehen versuchte.
    »Ich versteh nichts von Schwertern«, keuchte der Dichter. »Bei den Göttern, hör auf, sie zu prügeln! Siehst du nicht die redanischen Adler? Das sind Leute von König Wisimir! Das bedeutet Verrat und Aufruhr, dafür kann man in den Knast kommen  ...«
    »Aufs Schafott«, stammelte Dijkstra, während er ein Stilett zog und wankenden Schrittes näher kam. »Ihr kommt beide aufs Schafott  ...«
    Mehr konnte er nicht sagen, denn er stürzte auf alle viere, vom abgebrochenen Schaft der Partisane seitlich am Kopf getroffen.
    »Rädern«, mutmaßte Rittersporn mit finsterer Miene. »Vorher Reißen mit glühenden Zangen  ...«
    Der Hexer trat dem Spion gegen die Rippen. Dijkstra drehte sich auf die Seite wie ein getöteter Elch.
    »Vierteilen«, mutmaßte der Dichter.
    »Hör auf, Rittersporn. Gib beide Schwerter her. Und verschwinde von hier, aber schnell. Flieh von der Insel. Flieh, so weit du kannst!«
    »Und du?«
    »Ich kehre nach oben zurück. Ich muss Ciri retten  ... Und Yennefer. Dijkstra, bleib brav liegen und lass das Stilett in Ruhe!«
    »Damit kommst du nicht durch«, keuchte der Spion. »Ich werde mit meinen  ... Werde dir folgen  ...«
    »Wirst du nicht.«
    »Werde ich. An Bord des ›Degens‹ habe ich fünfzig Mann  ...«
    »Und ist ein Barbier darunter?«
    »Hä?«
    Geralt trat von hinten an den Spion heran, bückte sich, packte ihn bei einem Fuß, verdrehte den Fuß mit einem sehr kräftigen Ruck. Es knackte laut. Dijkstra heulte auf und wurde ohnmächtig. Rittersporn schrie, als sei es sein eigenes Gelenk.
    »Was sie nach dem Vierteilen mit mir machen«, murmelte der Hexer, »kümmert mich wenig.«
     
    In Aretusa herrschte Stille. Im Ballsaal waren nur vereinzelte Gestalten übriggeblieben, die keine Kraft mehr zum Lärmen hatten. Geralt mied den Saal, er wollte nicht bemerkt werden.
    Nicht ohne Mühe fand er das Zimmer, in dem er mit Yennefer übernachtet hatte. Die Korridore des Palastes waren ein wahres Labyrinth, und alle sahen sie gleich aus.
    Das Lumpenpüppchen schaute ihn mit gläsernen Augen an.
    Er setzte sich aufs Bett und hielt sich mit beiden Händen den Kopf. Auf dem Zimmerboden war kein Blut. Doch auf der Rückenlehne des Sessels hing das Kleid. Yennefer hatte sich umgezogen. Trug sie jetzt Männerkleidung, die Uniform der Verschwörer?
    Oder sie war in Unterwäsche abgeführt worden. Mit Handschellen aus Dwimerit.
     
    In einer Fensternische saß Marti Sodergren, die Heilerin. Sie hob den Kopf, als sie seine Schritte hörte. Ihre Wangen waren tränennass.
    »Hen Gedymdeith lebt nicht mehr«, sagte sie mit brechender Stimme. »Das Herz. Ich konnte nichts tun  ... Warum haben sie mich so spät gerufen? Sabrina hat mich geschlagen. Ins Gesicht geschlagen. Warum? Was ist hier geschehen?«
    »Hast du Yennefer gesehen?«
    »Nein, habe ich nicht. Lass mich in Ruhe. Ich will allein sein.«
    »Zeig mir den kürzesten Weg nach Garstang. Bitte.«
     
    Oberhalb von Aretusa lagen drei von Gebüsch zugewucherte Terrassen, danach wurde die Bergflanke steil und unzugänglich. Über dem Steilhang ragte Garstang auf. An den Fundamenten war der Palast ein dunkler, homogen glatter, an die Felsen geklebter Steinblock. Erst das obere Stockwerk funkelte mit Marmor und Fensterscheiben, glänzte golden in der Sonne mit dem Blech der Kuppeln.
    Der gepflasterte Weg, der nach Garstang und weiter hinauf zum Gipfel führte, wand sich wie eine Schlange um den Berg. Es gab jedoch noch einen kürzeren Weg  – Treppen, die die Terrassen miteinander verbanden und direkt unter Garstang in einer schwarzen Tunnelöffnung verschwanden. Ebendiese Treppen hatte Marti Sodergren dem Hexer gewiesen.
    Unmittelbar hinter dem Tunnel lag eine Brücke, die eine Schlucht

Weitere Kostenlose Bücher