Die Zeit der Verachtung
überspannte. Jenseits der Brücke stiegen die Stufen steil an und verschwanden hinter einer Biegung. Der Hexer beschleunigte seinen Schritt.
Das Treppengeländer war mit Figuren von Faunen und Nymphen verziert. Die Figuren wirkten wie lebendig. Sie bewegten sich. Das Medaillon des Hexers begann heftig zu rucken.
Er rieb sich die Augen. Der Anschein von Bewegung beruhte darauf, dass die Figuren ihre Form änderten. Der glatte Stein verwandelte sich in eine poröse, gestaltlose Masse, von Wind und Salz zerfressen. Und erneuerte sich gleich darauf wieder.
Er wusste, was das bedeutete. Die Thanedd überdeckende Illusion war unstet, im Begriff zu verschwinden. Auch die kleine Brücke war zum Teil illusorisch. Durch die wie ein Sieb löchrige Tarnung hindurch schienen der Abgrund und der weit unten rauschende Wasserfall.
Es gab keine dunklen Platten, die den sicheren Weg wiesen. Er überquerte die Brücke langsam, achtete auf jeden Schritt und verfluchte im Stillen den Zeitverlust. Als er sich auf der anderen Seite des Abgrundes befand, hörte er die Schritte eines laufenden Menschen.
Er erkannte ihn sofort. Die Treppe herab kam Dorregaray gerannt, der Zauberer, der im Dienste König Ethains von Cidaris stand. Er erinnerte sich an Philippa Eilharts Worte. Die Zauberer, die die neutralen Könige vertraten, hatte man als Beobachter nach Garstang eingeladen. Doch Dorregaray hastete in einem Tempo über die Treppe, das annehmen ließ, die Einladung sei plötzlich abgesagt worden.
»Dorregaray!«
»Geralt?«, keuchte der Zauberer. »Was tust du hier? Bleib nicht stehen, flieh! Schnell nach unten, nach Aretusa!«
»Was ist passiert?«
»Verrat!«
»Was?«
Dorregaray zuckte plötzlich zusammen und begann sonderbar zu husten, und gleich darauf kippte er nach vorn und fiel geradewegs auf den Hexer. Ehe Geralt ihn auffing, bemerkte er den Schaft eines grau gefiederten Pfeils, der ihm aus dem Rücken ragte. Er warf sich mit dem Zauberer in den Armen zur Seite, und das rettete ihm das Leben, denn unmittelbar darauf prallte ein zweiter, ebensolcher Pfeil, der ihm die Kehle durchbohrt hätte, gegen die heuchlerisch lächelnde Visage eines steinernen Fauns und schlug ihm die Nase und ein Stück Wange ab. Der Hexer ließ Dorregaray los und tauchte hinter das Treppengeländer. Der Zauberer stürzte auf ihn.
Es waren zwei Schützen, und beide hatten Eichhörnchenschwänze an den Mützen. Der eine blieb oben auf der Treppe und spannte den Bogen, der andere zog ein Schwert aus der Scheide und stürmte herab, wobei er jeweils mehrere Stufen übersprang. Geralt warf Dorregaray ab, sprang auf und zog das Schwert. Ein Pfeil sang, der Hexer unterbrach das Singen, indem er die Pfeilspitze mit einem raschen Hieb der Klinge ablenkte. Der andere Elf war schon nahe, zögerte aber beim Anblick des abgelenkten Pfeils einen Augenblick lang. Doch nur einen Augenblick. Dann stürzte er sich auf den Hexer, holte mit dem Schwert zum Hieb aus. Geralt parierte kurz, schräg, damit die Klinge des Elfs von seiner abglitt. Der Elf verlor das Gleichgewicht, der Hexer wandte sich mit einer fließenden Bewegung um und traf ihn seitlich am Hals, unterm Ohr. Nur einmal. Das genügte.
Der Schütze oben auf der Treppe spannte wieder den Bogen, kam aber nicht dazu, die Sehne loszulassen. Geralt bemerkte einen Blitz, der Elf schrie, breitete die Arme aus und stürzte nach unten, wobei er sich auf den Stufen überschlug. Sein Wams brannte auf dem Rücken.
Die Treppe herab kam der nächste Zauberer gelaufen. Als er den Hexer erblickte, blieb er stehen, hob die Hände. Geralt verlor keine Zeit mit Erklärungen, warf sich platt zu Boden, und der flammende Kugelblitz schoss über ihn hinweg und zerschlug die Statue eines Fauns zu feinem Staub.
»Hör auf!«, schrie er. »Ich bin es, der Hexer!«
»Verdammt«, stieß der Zauberer hervor, während er im Laufschritt herankam. Geralt erinnerte sich vom Bankett her nicht an ihn. »Ich habe dich für einen von diesen Elfenbanditen gehalten ... Was ist mit Dorregaray? Lebt er?«
»Ich glaube ja ...«
»Schnell, auf die andere Seite der Brücke!«
Sie zogen Dorregaray hinüber, mit viel Glück, denn in der Eile achteten sie nicht auf die schwankende und verschwindende Illusion. Niemand verfolgte sie, trotzdem streckte der Zauberer die Arme aus, skandierte einen Spruch, und der nächste Blitz zerschmetterte die Brücke. Die Steine prasselten die Wände des Abgrunds entlang.
»Das müsste sie aufhalten«,
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