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Die Zeit, die Zeit (German Edition)

Die Zeit, die Zeit (German Edition)

Titel: Die Zeit, die Zeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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von Stick-, Häkel-, Klöppel-, Tüll- und Strickarbeiten. Kein Stück Textil, das nicht irgendeine Verzierung aufwies. Die Schirme der Tisch- und Deckenlampe waren mit Tüllspitze und Häkelei verziert. Selbst der goldene Buddha auf der Kommode trug eine Spitzenschärpe.
    »Martha war eine sehr fachkundige Sammlerin von Textilkunst«, erklärte Knupp. Er ließ seinen Blick im Raum und seine Gedanken in der Vergangenheit schweifen, bis er sich losriss und geschäftsmäßig hinzufügte: »Hier gibt es kaum etwas zu tun, ich habe nichts angerührt.« Er schloss die Tür vorsichtig, als wollte er Marthas Geist nicht stören, und führte Taler ins Bad.
    Auch hier viele Spitzen, Tressen und Bordüren. Auf dem Glasregal unter dem Badezimmerspiegel eine Anzahl Kosmetikartikel für Frauen. Von Knupps Toilettensachen keine Spur.
    Im Schlafzimmer waren die Vorhänge zugezogen. Eine Alabasterlampe hing an drei dicken goldenen Kordeln und tauchte den Raum in honiggelbes Licht. Bett, Nachttischchen, Kleiderschrank und Spiegelkommode – ein Ensemble im gleichen Stil. Das Doppelbett war mit einem weißen Spitzenüberwurf bedeckt, und auf der Marmoroberfläche der Kommode lagen Kamm, Bürste und Parfumzerstäuber, ein Set mit harmonierenden Silbermotiven.
    Auch an diesen Wänden gerahmte Kunstfotos von Landschaften und internationalen Sehenswürdigkeiten. Und ein formelles Foto von Albert und Martha Knupp-Widler als Brautpaar.
    Auf einem der gepolsterten Stühle lag, sorgfältig zusammengefaltet, ein pistaziengrünes Damennachthemd mit von Brüsseler Spitzen eingefasstem Dekolleté.
    Taler machte Anstalten, den Raum wieder zu verlassen. Er war ihm zu persönlich. Er wollte nicht so tief in die Privatsphäre seines Nachbarn eindringen.
    Doch Knupp sagte: »Hier schlafe ich.« Er deutete in die Richtung des Fensters. Erst jetzt sah Taler das Feldbett, das dort auf der abgewandten Seite des Ehebetts aufgestellt war. Eine geblümte Steppdecke war darauf ausgebreitet. Auf dem Boden neben dem Kopfende lagen ein paar Bücher und ein Reisewecker.
    »Das große Bett kann ich seit damals nicht mehr benutzen.«
    »Seit einundzwanzig Jahren haben Sie das Bett nicht mehr benutzt?«, fragte Taler ungläubig.
    »Sie etwa?« Knupp war überrascht. »Sie schlafen noch in demselben Bett?«
    Peter nickte.
    Knupp nahm es kommentarlos zur Kenntnis und ging voraus, um die Führung fortzusetzen.
    »Gehen wir einen Stock tiefer, das Erdgeschoss kennen Sie ja«, sagte er und öffnete eine Tür neben dem Hauseingang. Eine steile, gewundene Treppe führte in den Keller hinunter. Im Vorraum standen ein auf Ölbetrieb umgerüsteter Kohlenheizkessel und eine alte Werkbank.
    Die Tür zur Waschküche stand offen. Eine ausgediente, mit angelaufenem Kupfer verkleidete Wäscheschleuder befand sich neben einem großen verzinkten Waschtrog unter der halboffenen Kellerluke. An der freien Wand stand eine angejahrte Waschmaschine, deren lindgrüner Lack an vielen Stellen beschädigt war. Daneben quollen aus einem Plastikkorb ungewaschene Wäschestücke. Acht Wäscheleinen waren durch den Raum gespannt. An einer trockneten ein paar Hemden.
    Der zweite Raum war ein Keller mit Kiesboden. Ein grob gezimmertes Regal für Äpfel und Kartoffeln füllte die längere Wand aus. An der kürzeren gab es ein einfaches Weingestell mit ein paar Flaschen. Eine Korbflasche mit dem von Hand geschriebenen Etikett »Essig« stand neben einem rostigen Flaschenabtropfständer, auf dem leere Weinflaschen steckten. Die Luft war modrig, eine Kellerlampe mit emailliertem Blechschirm sorgte für trübes Licht.
    Der frühere Kohlekeller war zu einem Fotolabor umgerüstet worden. Knupp öffnete die Tür und führte Taler in einen kleinen, schwarz gestrichenen Raum. An die Wand war eine nach allen Seiten schwenkbare Bürolampe geschraubt. Ihr Schirm war viereckig und größer als normal. Er war vorne geschlossen bis auf eine doppelt verglaste Öffnung. Darin steckte ein Negativ, das zwischen die zwei Gläser geklemmt war.
    »Meine Camera obscura«, sagte Knupp, »erklär ich Ihnen ein andermal.« Er schloss die Tür hinter sich. Einen Moment standen sie im Finstern.
    Ein rotes Licht ging an. Knupp hatte durch eine weitere Tür den nächsten Raum betreten. Taler folgte ihm. Es roch nach Chemikalien.
    Seine Augen gewöhnten sich an die schwache Beleuchtung. Nun konnte er einen Vergrößerer erkennen, ein paar Schalen, eine Trockenpresse, ein Regal mit Fotopapier, Laborwerkzeug, Beuteln und Dosen mit

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