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Die Zeit, die Zeit (German Edition)

Die Zeit, die Zeit (German Edition)

Titel: Die Zeit, die Zeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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aller »Sennberger« und »Raubstein« des Landes geben lassen und telefonierte diese jetzt systematisch durch. Unter »Santo« gab es keinen Telefonbucheintrag.
    »Tatsächlich? Ihre Cousine? Haben Sie ihre Telefonnummer?« Knupp notierte sie und legte auf.
    »Die Cousine. Eines der beiden Kinder der Volvo-Familie. Felinger heißt sie jetzt.« Er wählte die Nummer.
    »Ja, Herr Felinger? Knupp ist mein Name. Ist Ihre Frau zu sprechen?«
    Knupp hörte zu.
    »Ach, tut mir leid zu hören. Wissen Sie, wie ich sie erreichen kann?«
    Knupp legte auf und sah zu Taler herüber. »Geschieden.«
    »Und? Die Adresse?«
    »Am Arsch, hat er gesagt. Und aufgelegt.«
    Knupp versuchte, die ehemaligen Mieter der Wohnungen zu erreichen, um die Farben ihrer Autos von damals herauszufinden.
    »Und dann, wenn Sie sie herausgefunden haben?«, hatte Peter Taler gefragt, als ihm Knupp zum ersten Mal von diesem Teil des Projekts berichtet hatte.
    »Dann treiben wir solche Autos auf und stellen sie am Tag X auf den Parkplatz. Voilà.«
    »Voilà«, hatte Peter wiederholt. Das war am Anfang ihrer Zusammenarbeit gewesen, als er dem Projekt noch mit Skepsis und Ironie gegenüberstand. Jetzt, wo sich seine Einstellung zu dem Vorhaben geändert hatte, zweifelte er zwar immer noch an dessen Durchführbarkeit, trug aber, wenn er konnte, dazu bei. Wie zum Beispiel bei der Frage der Modelle.
    Betty hatte vom Essen mit Enzo Typenbezeichnung und den vermutlichen Jahrgang des Sportwagens mitgebracht: Fiat X 1/9 Bertone 1986. Worauf sie schon am Vormittag getippt hatte – Volvo und Peugeot –, war korrekt.
    Knupp war erneut am Telefon und ließ sich von der Auskunft alle Nummern der »Felinger« im Land geben. Zum Glück waren es nur zwölf.
    Taler bewunderte die Unerschütterlichkeit des alten Mannes. Dabei kamen jeden Tag neue Schwierigkeiten ans Licht: Der Teerbelag des Gustav-Rautner-Wegs hatte an jenem Tag eine Flickstelle, die Müllcontainer waren von anderer Bauart, die Fassade des dreistöckigen Blocks, in dem Talers Wohnung lag, besaß damals eine andere Farbe. Und so weiter.
    Für Peter Taler war die Sache aussichtslos. Aber seit gestern war ihm das egal. Für ihn war das Projekt 11. Oktober 1991 gestorben. Er beteiligte sich nur noch pro forma daran. Sobald es mit dem Mopedfahrer ein Ende genommen hatte, wäre es auch mit Knupps Gehilfen vorbei.
    Er blieb bis zum Einbruch der Dunkelheit bei Knupp. Danach ging er aber nicht nach Hause, sondern nur bis zum Gartentor. Er öffnete und schloss es geräuschvoll, damit Knupp es hörte, und ging leise zurück, über den Plattenweg, am Hauseingang vorbei zum Geräteschuppen. Dort, an einem Nagel an der Außenwand, hing seine Schultertasche, die er bei seiner Ankunft dorthin gehängt hatte. Er nahm sie und ging weiter, durch den Hintergarten bis zum Zaun.
    Im ersten Stock der Villa Latium war ein Fenster schwach erleuchtet. Er beobachtete das mächtige Haus einen Moment und kletterte über den Zaun. Vorsichtig arbeitete er sich durch die Sträucher und Büsche, die den Zaun entlang eine lockere Hecke bildeten. Nach etwa fünfzig Metern auf Sophie Schalberts Land war er an Knupps Grundstück vorbei und hinter dem Nachbarhaus.
    In der Küche brannte Licht. Frau Hadlauber räumte den Geschirrspüler ein und sprach dabei, ihr Mann lehnte an dem Korpus mit einem Glas Rotwein in der Hand.
    Das Fenster stand offen, Taler konnte ihre Stimme hören und manchmal sogar ein Wort verstehen. »Konsequenter« und »klare Linie« und »Respekt«. Das Ehepaar schien sich über Erziehungsfragen zu unterhalten.
    Die Milchglasscheiben des Badezimmers über der Küche waren erleuchtet. Und im Zimmer daneben – bei Knupp das Vermessungszimmer – drang ebenfalls der Schein einer Lampe durch die bunten Vorhänge. Leise Rockmusik war zu hören, Taler wusste nicht, woher.
    Als er behutsam weiterging, wurde sie lauter. Sie musste von dem nächsten Haus kommen. Der WG .
    Bis hier war Taler ganz ruhig gewesen. Aber nun begann sein Herz zu rasen. Er zwang sich, tief und regelmäßig zu atmen, und ging weiter.
    Jetzt sah er den Fahrradunterstand in dem Licht der Lampe, die vom Vordach über der Haustür hing. Drei Räder waren zu erkennen. Und, wie eine Skulptur, das kaputte Moped.
    Taler ging die paar Schritte weiter bis hinter das Haus. Das Gebüsch war hier dichter, und jenseits des Zauns wuchsen Haselstauden. Sie nahmen ihm zwar etwas die Sicht, aber dafür boten sie auch ein wenig Schutz vor dem Entdecktwerden. Weiter vorne

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