Die Zeit ist nahe: Kommissar Kilians dritter Fall
nach, bis er die Idee hatte, die mich bis auf weiteres schonen sollte. »Dieser Zylinder, der gestohlen wurde, ist Ihnen doch sehr wichtig«, begann er.
»Er ist der Grund, wieso ich hier bin. Darüber hinaus könnte er entscheidende Informationen über die Anfänge des Christentums in Franken beinhalten.«
»Na, wunderbar. Dann hätte ich einen Vorschlag.«
Heinlein winkte den Bischof herbei und lenkte mit einer auffordernden Geste die Aufmerksamkeit auf mich.
»Ja?«, fragte ich ihn ahnungslos.
»Erzähl ihnen, was passiert ist. Nur ein Geständnis kann dich retten. Außerdem könnte der Herr Bischof ein Gnadengesuch beim Vorsitzenden Richter für dich einreichen, wenn es ihm mit der Vergebung und der Nächstenliebe ernst ist. Und das mit dem toten Priester, das warten wir erst mal ab, bis Pia und die Spurensicherung ihre Berichte vom Tatort eingereicht haben. Bis dahin bleibst du nur verdächtig. Mehr kann ich momentan nicht für dich tun. Also, fang an. Wir sind schon ganz gespannt auf deine, nennen wir es so, Beichte.«
Eine gewisse Schadenfreude in seiner Stimme war unüberhörbar. Ich haderte mit mir, ob ich mir das nun gefallen lassen oder ob ich ihm gleich eine in die Schnauze hauen sollte. Genau genommen war ich noch sein Vorgesetzter, freigestellt zwar, aber vorgesetzt.
»Wir warten …«
Er saß am längeren Hebel, und ich erzählte diese verdammte, lange Geschichte von Anfang an, damit auch jeder kapieren würde, dass ich das nicht aus Jux gemacht hatte, sondern weil ich mich in einer ausweglosen Lage befand; rein menschlich, versteht sich. Etwas verschwieg ich jedoch, den unbekannten Priester. Weder kannte ich seine Identität noch die Verbindung, die der Bischof oder diese seltsame Signora zu ihm hatten. Der geheimnisvolle Fremde war alleinige Sache von mir und Heinlein.
Wider Erwarten stieß ich mit meiner Geschichte sowohl bei der Signora als auch beim Bischof auf christlich brüderliches Verständnis. Ohne ein Wort des Vorwurfs und mit aufmerksamer Neugier ließen sie mich erzählen. Nur mein Freund Heinlein verzog bei gewissen Details meines Einbruchs schmachvoll das Gesicht.
»Als ich gegen zwei Uhr heute Morgen das Pfarrhaus verließ, war Nikola noch am Leben. Ich schwöre es bei meiner Seele.«
Betretenes Schweigen. Der Bischof und die Signora ließen die Neuigkeit erst mal auf sich wirken, bevor sie sich dazu äußerten. Bis natürlich er die Stille brach. »Bleibt der Einbruch. Den hast du gestanden, und er wird entsprechend geahndet. Nun liegt es an Ihnen, Herr Bischof, wie wir weiter verfahren. Vorneweg, es liegt mir herzlich wenig daran, dass ich einen verdienten Kollegen, selbst wenn er geständig ist, vom Fleck weg einsperren lasse. Das kommt noch früh genug. Genauso wenig soll mein Kollege … Ex-Kollege bevorzugt behandelt werden, nur weil er bei seiner Amtseinführung geschworen hat, das Recht zu schützen und die Schuldigen zu überführen.«
»Vielen Dank, Herr Kollege«, knurrte ich ihn an.
Er genoss die neu gewonnene Macht sichtlich, und ich war ihm ausgeliefert. Der Bischof nahm die Signora zur Seite und unterbreitete ihr offenbar einen Vorschlag, dem sie in allen Punkten zuzustimmen schien. Dann traten sie wieder heran. Gespannt wartete ich auf den Urteilsspruch.
»Es liegt der Kirche nichts daran, und in ihrem Namen spreche ich«, sagte der Bischof, »einen Menschen, sei er nun im Sinne des Gesetzes schuldig oder nicht, hinter Gittern zu sehen. Das obliegt Ihrer Gerichtsbarkeit, Herr Heinlein. Etwas unschätzbar Wertvolles ist der Kirche, uns allen geraubt worden. Es ist weniger der materielle Wert dieser Schriften als das, was sie für die Kirche heute, gestern und für die Zukunft bedeuten. Wie Sie alle wissen, treten die Bischöfe heute in Himmelspforten zusammen, um über ebenjene Zukunft der Kirche, des Glaubens weltweit zu beratschlagen. Sie können mir glauben, wie gerne ich diese Schriften präsentiert hätte, wenn nicht diese Sache mit Herrn Kilian und Pater Nikola dazwischengekommen wäre. Zudem finde ich keine Erklärung, wieso der Pater den Diebstahl der Aufzeichnungen in Auftrag gegeben haben sollte. Nun, das herauszufinden wird Ihre Aufgabe sein, Herr Heinlein. Mein vorrangiges Interesse in dieser Sache ist daher eindeutig. Im Auftrag der Kirche und zu ihrem Wohl gilt es, dass wir wieder in den Besitz der Handschriften und des Zylinders kommen. Deshalb möchte ich Sie, Herr Heinlein, bitten, Ihrem Kollegen die Chance auf Wiedergutmachung zu geben,
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