Die Zeit ist nahe: Kommissar Kilians dritter Fall
Er verneinte.
»Ich denke, dass wir hier einen Hinweis auf den Mörder haben.«
»Interessant«, sagte die Signora. »Woraus schließen Sie das?«
»Welchen Grund gäbe es sonst, dass sich jemand im sicheren Angesicht des Todes, mit der Bibel in der Hand und auf Knien, die Mühe macht, eine Textstelle herauszureißen und sie in seiner Hand verschwinden zu lassen, wenn er ohnehin wenig später in Gottes Paradies einkehren wird?«
»Was macht Sie da so sicher?«, legte die Signora nicht ohne
Ironie in der Stimme nach.
»Ich kannte Nikola. Wenn einer es verdient hat, dann er.« Wieder die Signora. »Wie gut kannten Sie ihn?«
»Ich denke, das Fragen überlassen Sie jetzt wieder mir«, unterbrach Heinlein.
»Natürlich«, entschuldigte sich die Signora nicht sonderlich glaubwürdig und schwieg.
»Also, wie gut kanntest du eigentlich das Opfer?«, fragte Heinlein.
Ich überlegte. Verdammt, was sollte ich sagen. Ex-Kollege Schneider erlöste mich und schickte mich gleich darauf in die Hölle.
»Hallo, Schorsch«, stammelte er keuchend. »Ich komm gerade aus dem Pfarrhaus. Da ist eingebrochen worden. Eine Nachbarin hat uns benachrichtigt, noch bevor wir hier angerückt sind. Jetzt war ich mit ein paar Kollegen drüben, hab mir die Sache angeschaut, Spuren nehmen und ins Labor bringen lassen.«
»Und, was gefunden?«, fragte Heinlein.
Schneider machte ein verlegenes Gesicht. Dabei schaute er unsicher auf mich und dann wieder zu Heinlein.
»Jetzt sag schon.«
Schneider führte Heinlein zur Seite, in sichere Entfernung, sodass niemand sie belauschen konnte.
Und Schneider erzählte, blickte verschämt herüber, dann wieder nach unten, bis Heinlein plötzlich und unerwartet der Kragen platzte.
»Hundsverreckte Scheiße!«
Jetzt wusste ich, dass auch er es wusste.
*
Ich war sein erster und einziger Tatverdächtiger.
Die Sache sah beim momentanen Kenntnisstand des ermittelnden Kripobeamten KOK Heinlein folgendermaßen aus: Der zurzeit freigestellte KHK Johannes Kilian hat einen nicht näher identifizierbaren Zylinder aus Gold in eigenem oder fremdem Auftrag aus den Räumen der Denkmalpflege gestohlen. Als Beweismittel hierzu dient eine durch das DNA-Verfahren überprüfte Speichelspur des Verdächtigen auf der Verschlusskappe einer Taschenlampe, die am Tatort sichergestellt wurde.
Ebenjene Verschlusskappe ist eindeutig einer Taschenlampe, ohne Batterien, aber mit Fingerabdrücken des Verdächtigen zuzuordnen, die in den Räumen des gewaltsam verstorbenen Pater Nikola sichergestellt wurde. Eine weitere DNA-Analyse von Speichelresten am Schaft der Taschenlampe ist derzeit in Arbeit. Darüber hinaus wurden eine Skizze der Örtlichkeiten, ein mittlerweile bestätigter Zahlencode der Sicherungsanlage und der Hauptschlüssel zu den Räumen sichergestellt. Auch sie tragen die Fingerabdrücke des Verdächtigen.
Als kleines Bonbon ist die Kappe einer Mineralwasserflasche anzusehen, die in unmittelbarer Nähe zu den oben genannten Beweisstücken im Hause Nikolas aufgefunden wurde und der Marke nach zu einer unverschlossenen Flasche gehört, die in der Asservatenkammer der Denkmalpflege von einem Mitarbeiter versehentlich deponiert worden war. Auch sie trägt den Fingerabdruck des Verdächtigen.
Davon abgesehen sind meine Fingerabdrücke an Tisch und Tür des Pfarrhauses in ausreichender Zahl erkennungsdienstlich sichergestellt worden.
»Du bist der dämlichste Einbrecher, der mir in meiner ganzen Karriere untergekommen ist«, sagte Heinlein und brach damit gleichzeitig den Stab über meinen Kopf. Ab jetzt gab es nichts und niemanden mehr, der mich vor der anschließenden Strafverfolgung bewahren konnte.
»Am besten«, fuhr er fort, »nehme ich dich gleich an Ort und Stelle fest, damit ich mich nicht noch der Mitwisserschaft schuldig mache.«
»Jetzt mach mal langsam«, protestierte ich.
»Nichts da. Ich habe stichhaltige Beweise, dass du den Einbruch verübt hast und im Pfarrhaus von Pater Nikola warst. Nur, wieso musstest du ihn umbringen?«
»Spinnst du?! Ich habe Nikola nicht getötet. Was sollte ich für einen Grund haben? Er war es, der mich aus dieser Scheiße hier erlöst hätte. Ich schlachte doch nicht die Kuh …«
»Entschuldigung«, unterbrach die Signora, »wenn Sie uns nicht weiter benötigen, dann würden wir gerne an unsere Arbeit zurückgehen. Wenn Sie noch Fragen haben, dann erreichen Sie mich unter der Nummer des Bischöflichen Ordinariats.«
Heinlein antwortete nicht sofort. Er dachte kurz
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