Die Zeit ist nahe: Kommissar Kilians dritter Fall
Das war selten, zumal sie eine auffallend helle Hautfarbe hatte, die sich so gar nicht mit dem sonnigen Italien in Verbindung bringen ließ. Ich zog Norditalien ins Kalkül, eine Südtirolerin vielleicht; auf jeden Fall scheute sie die Sonne.
»Ich habe mir erlaubt, sie mit an diesen schrecklichen Ort zu bringen, da ich sie nicht einfach im Ordinariat sitzen lassen wollte«, entschuldigte sich der Bischof. »Mein Bauund Kunstreferent ist heute Morgen leider nicht erschienen. Weiß der Herr, wo er sich wieder herumtreibt. Es wäre seine Aufgabe gewesen. Nun, die Signora hatte nichts dagegen einzuwenden.«
»Das ist zwar ungewöhnlich und von Gesetzes wegen nicht erlaubt, aber wir wollen da mal ein Auge zudrücken«, sagte Oberhammer. Das war nun wieder seine Show. Die Großherzigkeit in Person, gerade wenn es nichts zu verschenken gab.
Signora della Schiava verfolgte die Unterredung mit scheinbarem Interesse und schüchterner Verklärtheit. Doch ihre Augen blieben an ihrem Verhalten unbeteiligt, sie sprachen eine andere Sprache, deren Herkunft ich nicht zuordnen konnte. Ihre Aufmerksamkeit galt unerklärlicherweise mir. Sie ließ mich die ganze Zeit über nicht aus ihrem Blickfeld, starrte mich zwar nicht an, registrierte jedoch jede Bewegung und Regung meinerseits genau.
»Ich bedanke mich für Ihre Großzügigkeit«, antwortete die Signora, »auch wenn ich zugeben muss, dass der Anlass bestürzend ist.«
»Damit sind wir wieder beim Thema«, ergriff Oberhammer nach erhaltener Danksagung die Initiative. »Nun, Herr Heinlein, wie gehen Sie jetzt vor?«
Diese Frage war an sich schon eine Frechheit, das musste man einen gestandenen Ermittlungsbeamten des K1 vor Publikum wirklich nicht fragen. Oberhammer wollte damit ganz offensichtlich einen ungeliebten Kollegen bloßstellen.
Doch mein Freund Schorsch reagierte, wie ich es nicht besser hätte tun können. »Ich denke, Herr Polizeidirektor, wenn nicht alle Spuren von den hier versammelten Anwesenden bereits vernichtet worden sind, werde ich mich nun daranmachen, herauszufinden, wer den Priester umgebracht hat.«
Damit war auch Oberhammer gemeint, und jeder, er inbegriffen, hatte verstanden. »Dann bin ich ja gespannt, Herr Heinlein«, giftete er. »Ich erwarte Ergebnisse. Umgehend.«
Heinlein schenkte ihm keinerlei Beachtung, sondern beugte sich zum Toten hinunter und begann mit seinen Untersuchungen.
»Nun dann, meine Herrschaften«, sagte Oberhammer mit einer ausladenden Handbewegung, als wolle er Vieh von der Weide treiben, »lassen Sie uns gehen und meinen Beamten seine Arbeit tun.«
Die Signora und der Bischof folgten seiner Anweisung und setzten sich in Bewegung, doch Heinlein packte noch ein Pfund obendrauf. »Sie bleiben! Ich hätte da noch ein paar Fragen hinsichtlich dieser Bibelstelle und des Opfers. Er war Priester Ihres Bistums.«
Die Ohrfeige hatte gesessen. Ich hörte regelrecht das Klatschen in Oberhammers Gesicht, und die Röte stieg in Rekordzeit empor. Er suchte als letzten Rettungsanker zur Demonstration seiner Macht mich als Opfer aus. »Kilian!«, bestimmte er, als gelte es einen Hund zum Herrn zu befehlen.
»Kilian bleibt. Er war mit dem Opfer bekannt. Ich brauche Hintergrundinformationen.«
Treffer und versenkt. Jeglichen weiteren Versuch unterließ Oberhammer. Weiß Gott, was Heinlein noch eingefallen wäre. Geschlagen und gedemütigt drehte Oberhammer ab. Auf dem Weg zur Straße hinunter hörte ich wütende Anweisungen an die Beamten, die mit dem Aufheulen eines PS-starken BMWMotors erloschen.
Ich war sprachlos, aber auch stolz auf meinen Kollegen, der sich in den letzten Monaten zu einem wahren Widerstandskämpfer gegen die oberbayerische Bevormundung entwickelt hatte.
»Wenn ich’s nicht selbst erlebt hätte, ich würd’s nicht glauben.«
»Schon gut«, wehrte Heinlein ab. »Wir haben ein Problem, und ich weiß nicht, wie ich das lösen soll. Du weißt, was ich meine.«
»Das kann man wohl sagen«, mischte sich Pia ein. »Wie kannst du nur?«
»Müssen wir das hier in aller Öffentlichkeit diskutieren?!«, ging ich dazwischen, da die Signora und der Bischof großes Interesse an den Vorgängen um meine Person zeigten.
»Nein, natürlich nicht«, lenkte Heinlein ein. »Nicht jetzt. Also, Pia, was haben wir hier?«
»Einen Moment. Ich muss erst noch die Temperatur messen.« Sie blickte auf den bekleideten Nikola herab und zögerte.
Normalerweise sollte sie dem Opfer das Thermometer rektal einführen, doch in diesem Fall
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