Die Zeit ist nahe: Kommissar Kilians dritter Fall
auf Mala Dingkor zu, der sich brav in
den Kreis der umstehenden Bischöfe eingereiht hatte. Er gab ihm vor aller Augen den Bruderkuss auf beide Wangen, nahm ihn dann mit beiden Händen an den seinen, wollte ihn nach vorn führen, an den Altar, um mit ihm zusammen die Messe zu feiern. Mala weigerte sich zuerst, Esperanza flüsterte ihm ins Ohr, kam ihm erneut sehr nahe, bis sich Mala schließlich überzeugen ließ und mit ihm an den Altar schritt. Die Geste zeigte Wirkung. Ein paar Übereifrige klatschten.
»War das alles?«, fragte Benedetti.
»Das war der erste Akt, der zweite kommt gleich«, antwortete Armbruster.
In Benedetti keimte der Frust. »Würdest du mir jetzt bitte erzählen, was hier gespielt wird?«
Armbruster zeigte endlich ein Einsehen. Er flüsterte Benedetti ins Ohr.
»Blue Thunder. Die neueste Kreation aus den Laboratorien des Verteidigungsministeriums. Der Wirkstoff wird aus einer unscheinbaren kleinen Blüte gewonnen, die direkt aus dem Urwald stammt. Insekten laben sich daran. Er macht sie ab einer bestimmten Dosierung so aggressiv, dass sie sogar die eigene Population angreifen. Aufgenommen wird der Wirkstoff über die Schleimhäute. Die Haut eignet sich weniger dazu, sofern die Droge gleich abgewaschen wird. Bleibt sie jedoch länger als ein paar Stunden darauf, findet sie auch dort ihr Ziel. Somit ist sie bei Mala genau richtig platziert.«
»Und wie kommt sie zu Esperanza?«
»Der Indio hat ein großes Problem. Seit er seinen Urwald verlassen hat, kommt er mit dem Essen und der Luft in unserer wunderbaren Zivilisation nicht zurecht. Seine Schwachstelle ist die Haut. Täglich muss er sich mit penicillinhaltiger Creme einschmieren, damit er nicht wie ein Streuselkuchen aussieht.«
»Aber er wird doch bestimmt von seinem Leibarzt täglich untersucht. Der müsste doch …«
»Der kann nur feststellen, was er kennt. Das Pentagon hatte das Zeug im Golfkrieg im Einsatz. Seitdem liegt es unter Verschluss. Kein Kommentar. Die wollen nichts mehr darüber wissen. Die perfekte Waffe. Schau hin, jetzt kommt der Todesstoß.«
Aus dem Kreis der Bischöfe und Priester trat ein junger Mann hervor und füllte den Kelch mit Messwein.
»Das ist Esperanzas Privatsekretär. Ein junger Mann aus den Favelas von Rio«, sagte Armbruster. »Er genießt Esperanzas vollstes Vertrauen … und das meinige auch. Hat mich einiges an Arbeit und Geld gekostet.«
»Wenn das dein großer Plan ist«, sagte Benedetti. In seiner Stimme schwang Enttäuschung. »Wegen eines Drogenvergehens wird doch heute kein großes Aufsehen mehr gemacht.«
»Das ist erst der Anfang. Die Zeitungen werden morgen eine andere, wirklich sensationelle Nachricht zu verkünden haben. Es ist alles bis ins Kleinste arrangiert. Vertrau mir.«
Armbruster verschränkte zufrieden die Arme und wohnte der Wandlung bei, in der Brot und Wein in das Fleisch und das Blut Christi wechseln.
Jackson packte das Spielfieber. »Okay, letzte Chance. Die Wetten stehen drei zu eins auf Esperanza. Armbruster hat noch fünf zu bieten. Benedetti ist auf zehn abgerutscht.«
»Ich setze tausend auf mich«, sagte Makeluma.
Jackson fuhr herum. »Tausend? Ich setze eine Million auf mich. Wer als Bester von uns beiden abschneidet, kriegt die ganze Beute.«
Makeluma hielt die Hand hin. »Schlag ein.«
Die Glocken waren verklungen, der Kelch stand vor Esperanza und Mala auf dem Altar. Beide hatten vom Schierlingsbecher getrunken. Sie machten sich auf, das Brot zu brechen und die Kommunion an die Gläubigen zu verteilen. Gemeinsam traten sie vor den Altar.
Esperanza reagierte als Erster. Schweiß trat ihm auf die Stirn, seine Gesichtszüge verzerrten sich, aber er bemühte sich, die Kontrolle zu behalten. Doch er hatte keine Chance. Aufgebracht warf er den Kelch zu Boden und steuerte auf einen ahnungslosen Mann in der ersten Reihe zu. Von hinten eilten die Bischöfe herbei.
Wie aus dem Nichts tauchten zwei Reporter auf. Blitzlichter zuckten durch das Getümmel vor dem Altar des heiligen Petrus. Die Apsis füllte sich wie geplant mit einer Gruppe Sanitäter. Unterdessen wurde der Kelch auf dem Altar durch einen anderen ersetzt.
Armbruster holte tief Luft und atmete sie entspannt aus.
»Wie am Schnürchen …«
VIII.
Die letzte Maschine nach Dublin war weg.
Ich musste den Flieger nach Shannon im Westen nehmen. Von hier waren es gute 300 Kilometer bis Mullagh, einem kleinen Ort in der Nähe von Keils. Ich rechnete mit einer Fahrtzeit von drei Stunden, sofern die
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