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Die Zeit ist nahe: Kommissar Kilians dritter Fall

Die Zeit ist nahe: Kommissar Kilians dritter Fall

Titel: Die Zeit ist nahe: Kommissar Kilians dritter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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etwas entgegensetzen.
    »Mutter und Haupt aller Kirchen«, ist auf der Fassade von San Giovanni in Laterano zu lesen. Zu Recht, ist sie die erste und älteste christliche Hauptkirche Roms, lange bevor die Macht auf den Vatikan überging. War sie zu Beginn noch Jesus Christus geweiht, ersetzte man den Patron später durch Johannes den Täufer. Die blutige Geschichte dieser »Mutterkirche« ist schnell erzählt. In der Mitte des 1. Jahrhunderts nach Christus heckten zwei Adelsfamilien, unter ihnen die der Laterani, ein Mordkomplott gegen Kaiser Nero aus. Der Plan schlug fehl, und die Oberhäupter der Familien wurden hingerichtet. Was blieb, war der Name Lateran. Dann kam das alles entscheidende Jahr 312, die eigentliche Stunde null für die römische Kirche. Bis zu diesem Zeitpunkt waren die Fronten klar abgesteckt. Auf der einen Seite gab es die heidnischen Römer und auf der anderen die Christen. Letztere konnten zu jeder Zeit, und sei es auch nur aus Langeweile, den Löwen zum Fraß vorgeworfen, auf offener Straße zu Tode geprügelt oder als abschreckendes Beispiel an einer römischen Straße gekreuzigt werden. Reichtum und Macht waren römisch, Armut und das Vertrauen in die Heilsbotschaft des Herrn christlich. Am 27. Oktober 312 bereitete sich der heidnische König Konstantin auf die bevorstehende und alles entscheidende Schlacht gegen einen anderen Heiden, Maxentius, vor. Er wusste, dass sehr viel Blut fließen würde, und war sich seiner Sache nicht sicher. In der Dämmerung kam die Wende. Er hatte eine Vision. Am Himmel sah er das Kreuz Jesu, und eine Stimme sprach zu ihm: »In hoc signo vinces.« 9 Am Morgen des 28. Oktober ritten seine Krieger mit einem Kreuz auf dem Schild in die Schlacht und siegten. Die Prophezeiung hatte sich erfüllt, und Konstantin, nun Herrscher über das ganze Römische Reich, wusste, wem er das zu verdanken hatte. Blutverschmiert reiste er nach Trastevere, einem kleinen, schäbigen Stadtteil am Tiber, und ließ sich einen völlig verängstigten, kleinen Mann vorführen – Papst Miltiades, einen Afrikaner, der glaubte, sein letztes Stündchen habe geschlagen. Zitternd hörte er vom Hünen Konstantin die Ereignisse der vorangegangenen Stunden. Am folgenden Tag begaben sich Konstantin, Miltiades und dessen Nachfolger Silvester auf den Lateranhügel. Konstantin öffnete die Palasttore der Laterani und sprach:
    »Fortan ist dies das Heim des Miltiades und jedes Nachfolgers des heiligen Apostels Petrus.«
    Eineinhalb Jahre später wurde Silvester Papst, gekrönt von Konstantin. Silvester besaß Weitblick und Kalkül. Er erkannte, wie sich mit Hilfe des Römischen Reiches eine allumfassende Kirche bauen ließ. Auf römischen Straßen gelangten seine Prediger in die entlegensten Winkel der damaligen Welt, und unter dem Schutze Roms missionierten sie nahezu gefahrlos. Hatte Jesus Christus 300 Jahre zuvor das Ende der Welt vorausgesagt, erlebte nun die auf seinen Namen aufgebaute Religion die wahre Auferstehung. Regiert wurden Herrscher, Reich und Glauben vom Thron des heiligen Petrus aus, vom Lateran. Die Ehe zwischen Glauben und weltlicher Macht war somit geknüpft. Aus den ehemals verfolgten Christen wurden nun machthungrige Monarchen, die sich in den folgenden Jahrhunderten Länder und Reichtümer aneigneten und nun selbst Andersgläubigen nach dem Leben trachteten.
    Kardinal Esperanza, ein schmächtiger und rundgesichtiger Indio mit der Haut einer reifen Avocado, war angetreten, um just aus der Vergangenheit dieses Hauses heraus die Revolution in der Kirche anzuzetteln. Die riesige Basilika San Giovanni war bis auf den letzten Stehplatz gefüllt; noch einmal die gleiche Zahl begeisterter Zuschauer hatte sich auf der Piazza rund um den Obelisken versammelt und hörte über Lautsprecher, was drinnen vor sich ging. Esperanza las die Messe im Kreise mehrerer Bischöfe unterschiedlicher Ethnien unter einem großen, reich verzierten Baldachin aus dem 14. Jahrhundert. Der Legende nach beinhalten die angebrachten Reliquienschreine die Häupter des Petrus und Johannes des Evangelisten. Darunter der päpstliche Altar, der einen noch älteren umschließt, an dem schon Petrus und die ersten Päpste gewirkt haben sollen.
    Mit kirchenpolitischen Äußerungen hatte sich Esperanza wohlweislich zurückgehalten, schließlich musste er die Versammelten von seiner Person und seinen Zielen nicht mehr überzeugen. Als Papst der Armen, der Benachteiligten, der Kranken, der Hoffnungslosen und Geknechteten

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