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Die Zeit ist nahe: Kommissar Kilians dritter Fall

Die Zeit ist nahe: Kommissar Kilians dritter Fall

Titel: Die Zeit ist nahe: Kommissar Kilians dritter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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Post abzuholen.«
    »Unsinn, ich habe Dr. Mayfarth seit Tagen nicht mehr gesehen.«
    »Wie kommen Sie dann an seine Schlüssel?«
    »Ich habe sie aus seinem Schreibtisch.«
    »Ihr Chef lässt seine Wohnungsschlüssel unter aller Augen einfach in seinem Schreibtisch liegen? Erzähl mir nicht so ’nen Scheiß!«
    »Er hat mir gesagt, wo sie sind, und ich sollte …« Er brach ab. Das war eindeutig zu viel geredet.
    »Wo steckt er?«, wollte ich wissen. »Wo hat er sich versteckt?!«
    »Bei meiner Seele, ich weiß es nicht. Er hat vorhin auf meinem Apparat angerufen und mich gebeten, in seine Wohnung zu gehen. Dort sollte ein Fax angekommen sein, das ich ihm unbedingt vorlesen sollte. Danach sollte ich es verbrennen.«
    »Hat er schon angerufen?«
    »Ja, vorhin in seiner Wohnung.« Verdammt. »Von wo aus?«
    »Weiß ich nicht. Ehrlich. Ich habe ihn gefragt, aber er bestand darauf, es nicht zu sagen. Es wäre sicherer für mich.«
    »Und dann hat er dir die Geschichte von Yasmina und Alvarez erzählt.«
    »Ja, und ich sollte sie Ihnen irgendwie … unterbreiten.«
    »Unterjubeln, meinst du, das trifft es besser.«
    Was konnte ich jetzt noch davon halten? War die Geschichte frei erfunden oder echt? Und welchen Plan verfolgte Mayfarth damit? Wollte er den Verdacht von sich ablenken?
    Entscheidend jedoch war, dass er in der Stadt war oder bis vor kurzem noch gewesen war und mich und meine Vorgehensweise offensichtlich beobachtete. Was hatte er vor?
    »Hast du das Fax noch?«
    »Ich wollte es gerade in sein Büro mitnehmen und dort vernichten.«
    »Gib es mir.«
    Er suchte es aus dem Papiergewirr heraus.
    Ich erkannte, dass das Fax von Rom aus zum Kloster Tallaght in Dublin geschickt worden war, dann zu einem Priester nach Mullagh weitergeleitet wurde und schließlich mit einer handschriftlichen Anmerkung auf Mayfarths Gerät gelandet war. Eingang heute Morgen. Der Briefkopf war italienisch. Chiesa S. Agata in Trastevere.
    Ich las: »Hoch geschätzte Brüder. Lasst alles verschwinden. Sie sind unterwegs. Gezeichnet Ninian.«
    Darunter, in Handschrift: »Bruder, wir brauchen deine Hilfe. Schnell. Gezeichnet Father Quinn.«
    »Ist das alles?«, fragte ich.
    »Ja.«
    »Kennst du diesen Ninian oder Father Quinn?«
    »Nein, nicht persönlich. Aber Dr. Mayfarth hat mit Quinn einiges zu tun.«
    »In welcher Form?«
    »Er ist der Geistliche in Mullagh, in Irland, wo das St. Kilian’s Heritage Center steht, eine Gedenkstätte unseres Frankenapostels.«
    »Sagte Mayfarth, ob er dorthin wollte?«
    »Ich glaube, ja.«
    Wollte Mayfarth sich absetzen oder nur einem Hilferuf nachkommen? Die Gefahr, dass er beides ins Kalkül zog, nachdem ich ihm nun gefährlich nahe gekommen war, war hoch. Heinlein einzuschalten und ein Amtshilfeersuchen an die irischen Kollegen zu schicken hätte Wochen, wenn nicht Monate gedauert. Schengen hin oder her. Ich musste selbst ran.
    »Kannst du mir was pumpen?«
    Die Sonne stand hoch über dem Circus Maximus in Rom. Sie warf ihre gnadenlose Hitze auf die versammelte Menge vor San Giovanni in Laterano – für eine Stunde der Mittelpunkt der Welt. Kardinal Esperanza feierte eine Messe mit den Gläubigen, die in ihm den Erneuerer, manche gar eine Art Messias sahen. Die Wahl des Ortes war gut überlegt, sollte sie doch symbolischen Charakter haben, aus der Geschichte des Laterans heraus, aber auch, weil der Vatikan auf der anderen Seite, rund vier Kilometer entfernt, den Gegenpol darstellte.
    Vor der Kirche San Giovanni in Laterano ragt der größte und älteste Obelisk der Welt mit über dreißig Meter Höhe gewaltig in den Himmel. Er stammt aus dem 15. Jahrhundert vor Christus und hatte seinen ursprünglichen Platz im ägyptischen Theben vor dem Tempel des Gottes Ammon. Konstantinus II. ließ ihn nach Rom bringen und im Circus Maximus aufstellen. Jahrhunderte später fand man ihn zerstört in den Ruinen liegen. Offenbar war er in frühmittelalterlicher Zeit von fanatischen Christen umgestoßen worden, die ihn für ein Werk des Teufels hielten. Kein Wunder, dienten die Obelisken als Ehrerbietung und Fingerzeig des Sonnengottes der Ägypter, bis die Bauherrenpäpste, allen voran Sixtus V., sie wieder aufstellen ließen; teils aus verkehrspolitischen Erwägungen, teils als exorzierende Waffen gegen den Satan höchstpersönlich. Das Auge des Sonnengottes wurde an der Spitze der Obelisken gegen ein Christenkreuz ausgetauscht, und sie sollten damit den zahlreichen heidnischen Baudenkmälern in der Ewigen Stadt

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