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Die Zeit-Verschwoerung 3 Navigator - Roman

Die Zeit-Verschwoerung 3 Navigator - Roman

Titel: Die Zeit-Verschwoerung 3 Navigator - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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ging landeinwärts, vorbei an weiteren Lagerhäusern und Produktionsstätten.
    Und hier, genau an der im Brief des Mönchs beschriebenen Stelle, fand er eine kleine, düstere Gemeindekirche, deren grob behauene Steine vom Ruß der Stadt geschwärzt waren. Um die Kirche scharten sich Votivkapellen, die den Seelen schon vor langer Zeit verstorbener reicher Bürger gewidmet waren. Eine Steintafel erklärte ihm, die Kirche sei der heiligen Agnes geweiht, einer jungfräulichen Märtyrerin aus Rom und Schutzheiligen seiner Schwester.
    Er verspürte ein tiefes Widerstreben, die Kirche zu betreten. Aber schließlich war er hierher bestellt worden.
    Der Brief des Mönchs war zusammen mit einem Haufen Geschäftskorrespondenz eingetroffen. Er kam von einem Franziskaner namens Geoffrey Cotesford, und Harry Wooler hatte ihn in seinem Haus in Oxford beklommen gelesen, denn es ging darin um eine Gewissensfrage. Harry hielt sich nicht für einen sündigen Menschen, aber er zog es vor, sich mit geschäftlichen
Dingen zu befassen und die Angelegenheiten der Seele anderen zu überlassen. Diese Aufforderung zu einem Treffen konnte er jedoch schlecht ignorieren, denn sie betraf seine Schwester Agnes, die er seit seiner Kindheit nicht mehr gesehen hatte.
    Die schwere Holztür der Kirche stand offen. Harry trat ein. In der Kirche war es kalt; ihre schweren Steinmauern saugten die Wärme heraus, und die Luft war weihrauchgesättigt. Ein korpulenter Bursche in einem weiten schwarzen Gewand fegte den Boden mit einem Reisigbesen, doch ansonsten war die Kirche leer. Harry kniete sich in eine Bank, bekreuzigte sich und sprach ein paar kurze Gebete. Dann ging er durch den Mittelgang zum Altar.
    Er blieb bei einem kunstvollen Grabmal aus schwarzem Stein stehen, das sich an eine Wand schmiegte. Es bestand aus zwei Ebenen. Oben ruhte die Gestalt eines Mannes von ungefähr fünfzig Jahren, der im Leben gut ausgesehen haben musste; er trug ein elegantes Gewand, das einer römischen Toga glich, und hatte die Hände zum Gebet gefaltet. Doch auf der Ebene darunter lag derselbe Mann, der Verwesung preisgegeben, die Kleider zu Lumpen verrottet, die Haut abgeschält, sodass man den Rippenkäfig sah; die betenden Finger waren nur noch Knochen.
    Harry mochte diese Transi-Grabmäler nicht. Die grausig realistischen Leichen erinnerten ihn stets an den Tod seines Vaters und dessen letztes morbides Gemurmel.
    Aber Harry war jetzt fünfundzwanzig. Er war
Kaufmann wie sein Vater vor ihm und sein Großvater auch – wie all seine Vorfahren bis in die ferne Vergangenheit. Wie ihr Name besagte, verkauften die Woolers erstklassige Wolle aus dem Herzen Englands an den Kontinent. Handel, das war es, was Harry interessierte  – Handel und Geschichten über Entdeckungsreisen, über Prinz Heinrich und seine Seefahrerschule in Portugal, über neue Routen nach Indien und China und vielleicht sogar zu Ländern, von denen bislang noch niemand gehört hatte. Harry mochte weder Transi-Grabmäler noch Votivkapellen. Nicht einmal Kirchen mochte er besonders, gestand er sich ein. Lieber jeden Tag Cheapside als das hier!
    »Ihr scheint Euch nicht wohlzufühlen.«
    Der Mann, der den Boden gefegt hatte, stand auf seinen Besen gestützt da und musterte den Besucher. Harry sah, dass er ein Kruzifix an einer Kette um den Hals trug und dass sein schwarzes Gewand wie eine Kutte aussah.
    »Tut mir leid, Bruder. Mir war nicht klar – ich hätte Euch selbstverständlich gebührend begrüßt …«
    Der Bruder tat das mit einer Handbewegung ab. Er mochte um die vierzig sein; in sein ergrauendes Haar war eine ordentliche Tonsur rasiert. Er wirkte wohlgenährt und gemütlich, aber aus seinen braunen Augen sprach eine scharfe Intelligenz. »Und ich hätte mich nicht an Euch heranschleichen sollen – nicht vor einem solchen Grabmal jedenfalls! Aber ich entschuldige mich nicht dafür, in Eurer Seele gelesen zu haben, denn es steht Euch ins Gesicht geschrieben.«

    Harry war ein wenig ärgerlich. »Ich bin nicht hier, um zu beten, sondern um jemanden zu treffen.«
    »Geoffrey Cotesford aus York?«
    »Kennt Ihr ihn?«
    »Nur allzu gut.« Der Mönch streckte ihm die Hand hin. »Ich bin Geoffrey. Freut mich, Euch kennenzulernen, Harry Wooler.«
    Harry schüttelte ihm unsicher die Hand.
    »Ich war früh dran.« Der Mönch hielt den Besen hoch. »Die Tür war nicht verschlossen – ganz schön unachtsam –, und da sah ich den Besen an der Wand lehnen und dachte, ich könnte mich nützlich

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