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Die Zeit-Verschwoerung 3 Navigator - Roman

Die Zeit-Verschwoerung 3 Navigator - Roman

Titel: Die Zeit-Verschwoerung 3 Navigator - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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machen. Ihr wirkt so geschäftsmäßig – das hatte ich erwartet. Tatsächlich bin ich selbst aus geschäftlichen Gründen hier.«
    »Ich dachte, ihr Mönche wärt eher kontemplativ.«
    »Das sind wir auch – jedenfalls manche von uns. Aber wir haben auch andere Talente. Ich hatte schon immer einen zu unruhigen Geist, um Gott mit meinen fragmentarischen Gebeten zu belästigen. Deshalb habe ich mich den geschäftlichen Belangen meines Ordens gewidmet. Tatsächlich bestreiten wir unseren Lebensunterhalt zu einem kleinen Teil ebenfalls mit dem Wollhandel. Und ich habe mich immer mehr für die Seelen anderer als für meine eigene interessiert, ein Nachteil für einen kontemplativen Menschen! Eure Seele liegt ebenso offen zutage wie das vertrocknete Herz dieses armen alten Burschen, Harry.«
    »Es ist alles so düster«, gab Harry zu. »Transi-Grabmäler und Votivkapellen, Mönche, die die Namen
längst Verstorbener murmeln. Die Priester sagen, wir müssten alle das Leben nach dem Tod ersehnen. Meinetwegen. Aber warum sollen wir uns nach dem Tod sehnen?«
    Geoffrey musterte ihn. »Tja, aber der Tod sehnt sich manchmal nach uns. Ihr seid ein junger Mann, Harry, und wie alle alten Narren beneide ich Euch um Eure Jugend. Mit zunehmendem Alter werdet Ihr jedoch einen Sinn für die Vergangenheit entwickeln. Und in unserer Vergangenheit gab es eine große Katastrophe, eine Zeit, in der die Toten die Gestade der Lebenden heimsuchten.«
    »Ihr meint das Sterben.«
    »Das große Sterben, ja. Den großen Tod. Mein Großvater hat mir Geschichten darüber erzählt, was sein Großvater, der es selbst miterlebt hat, mit eigenen Augen gesehen hat.
    England war früher einmal dicht bevölkert, wisst Ihr! Aber der Krieg hat die Menschen hierhin und dorthin verschlagen, und die Städte strotzten vor Schmutz … Nun ja. Wir waren reif für die Seuche. In London ist binnen weniger Jahre die Hälfte der Einwohner gestorben. Stellt Euch vor, wie das für die Überlebenden war, Harry, als all diese Gesichter um sie herum dahinschmolzen. Der Schock hat Narben in ihrer Seele hinterlassen, glaube ich. Kein Wunder, dass sie diese Transi-Grabmäler angefertigt haben, Denkmäler einer Welt, die sich in einen riesigen Friedhof verwandelt hatte.«
    Harry war nervös; er hatte den Eindruck, dass man
ihm eine Predigt hielt. »Ihr habt mir wegen Agnes geschrieben. Wo ist meine Schwester?«
    »Leider weit weg von hier. In York. Und Ihr müsst zu ihr reisen; sie kann nicht zu Euch kommen. Ihr werdet schon sehen, warum. Aber sie fragt immer nach Euch. Der große Bruder Harry! Und wisst Ihr, um die Situation Eurer Schwester zu verstehen, werdet Ihr über die Geschichte nachdenken müssen – ich meine, über Eure Familiengeschichte. Eure Vorfahren waren nicht immer Wollhändler. Ihr werdet sehen, Ihr werdet sehen …«
    »Mein Geschäft – ich muss arbeiten.«
    »Ich weiß«, sagte Geoffrey. »Aber Ihr werdet trotzdem mitkommen, nicht wahr? Unter diesem wollenen Kaufmannshemd leuchtet ein heller Funke des Pflichtgefühls. Auch das sehe ich in Euch.«
    Diese Worte lösten bei Harry das Gefühl aus, in der Falle zu sitzen. Mit einer gemurmelten Entschuldigung eilte er durch den Gang zur Tür und sog in vollen Zügen den beruhigenden Gestank des Strand ein.

III
    Spanien lag wie ein Bleigewicht auf James’ Seele.
    Die Maultierkarawane trottete durch eine Landschaft, die einem riesigen, staubigen Tisch ähnelte. Hier wuchsen nichts als Buschgras und wilde, ungepflegte Olivenbäume, nichts bewegte sich außer mageren Schafen, und außer den wüsten, von zerstörten Zinnen zurückgeworfenen Gesängen der Maultiertreiber und dem dünnen Krächzen geduldiger Bussarde war kein Laut zu hören. Und James wusste, dass am Ende der Reise nur noch mehr Seltsamkeiten warten konnten. Er war nämlich unterwegs nach Sevilla, wo angeblich bald der Antichrist geboren werden würde.
    Seine Reisegefährtin und Brotherrin, Grace Bigod, hatte kein Mitleid mit ihm. Sie war eine eindrucksvolle Frau in den Vierzigern, vielleicht zwanzig Jahre älter als James. Ihr Gesicht war auf eine starke, strenge, stolze Weise schön; ihr ergrauendes blondes Haar war aus der Stirn nach hinten gekämmt. Und sie hackte gelangweilt und unfreundlich auf James herum. »Was ist los, Frater James? Alles ein bisschen viel für Euch?«
    »Es ist so fremdartig hier.«
    »Na klar ist es fremdartig. Wir sind weit weg von
England.« Ihre zarten Nasenflügel blähten sich, als sie die Luft einsog. »Was

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