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Die Zeit-Verschwoerung 3 Navigator - Roman

Die Zeit-Verschwoerung 3 Navigator - Roman

Titel: Die Zeit-Verschwoerung 3 Navigator - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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»Schulter«-Mechanismen, und in seinem Innersten war eine bereits gespannte, mächtige Armbrust, so dick wie sein Arm. Man hatte rasch gelernt, dass die Muskeln eines Menschen zu schwach waren, um mit den großen Flügeln zu schlagen; die Armbrust lieferte jedoch genügend Kraft. Dieses Gestell wurde auf seine Schultern herabgelassen und mit einem Geschirr aus Lederbändern an seinen Oberkörper geschnallt.
    James’ Schulterelemente mussten getestet werden. Es waren ausgeklügelte Anordnungen von Stangen, Wellen, Zahnrädern, Flaschenzügen und Seilen zu beiden Seiten des Muskelgestells, die den Entspannungsvorgang der Armbrust in komplexe Bewegungen umsetzen würden – aufwärts, abwärts und mit allen möglichen Drehungen. Die sorgsam geölten Schultern arbeiteten fehlerlos. Die Novizen fügten noch einen senkrechten »Schweif« aus Holz und Federn hinzu, der an einer Strebe an der Rückseite des Zentralgestells befestigt wurde.
    Und jetzt kamen die Schwingen; weitere schwitzende
Novizen schleppten sie auf dem Rücken herbei. Sie kletterten Trittleitern links und rechts neben James hinauf, steckten die Gelenke der Schwingen in die dafür vorgesehenen Anschlüsse in den Schulterelementen und schnallten sie mit Ledergurten fest. Die ausgebreiteten Schwingen waren wie Zelte aus jungem Tannenholz, Barchent, gestärktem Taft und Federn, und das Morgenlicht verschattete ihr Innenskelett.
    Der aufsichtführende Frater ordnete einen letzten Test des Mechanismus an. Mit äußerster Vorsicht wurden die immer noch von den Novizen gestützten Schwingen gehoben und gesenkt, wobei sie sich verdrehten; die Federn – jede von Hand an ihr eigenes winziges Zahnrad geklebt – spreizten und schlossen sich. Bacon und seine Nachfolger hatten den Vogelflug zweihundert Jahre lang sorgfältig studiert. Es gab keinen Zweifel daran, dass die Luft eine Flüssigkeit war, durch welche die Vögel schwammen wie Fische und Robben durchs Wasser. Diese kunstvolle Maschinerie war nach Generationen gezeichneter Entwürfe, gebauter Modelle und praktischer Versuche so konstruiert worden, dass sie genau eine solche flatternde Schwimmbewegung nachahmte.
    Doch in diesem Augenblick spielte die Theorie, die Mechanik, für James im Vergleich zur puren Schönheit der Maschine über ihm gar keine Rolle. Er war begeistert, dass er dank des höheren Alters seines Meisters zur Seele dieser fantastischen Schöpfung geworden war.
    Der Frater, ein kurz angebundener, praktisch veranlagter
Mann mit wildem grauem Haar um seine Tonsur, sah James jetzt an. »Fertig?«
    James grinste und nickte.
    Der Frater zog kräftig an einem Seil. Die Armbrust wurde ausgelöst, streckte sich, und sofort ergoss sich ihre elastische Energie durch Zahnräder und Flaschenzüge in die Schultern. Die Schwingen schlugen und verdrehten sich, James’ Geschirr zerrte an seiner Brust, und er wurde in die Luft getragen.
    Der Boden sank unter ihm weg, und die nach oben gewandten Gesichter der Novizen waren wie Münzen auf einem Tisch. Sie klatschten und jubelten. Unter ihm weitete sich die Landschaft, und er sah die Form des Kalksteinkamms, von dem er gestartet war, sowie die davorliegende Ebene und das zerstörte Dorf, in dem Maschinen herumkrochen und Schießpulver aufblitzte.
    Sein Herz raste vor Erregung und ein bisschen Furcht, und er spürte eine wachsende Spannung in seinen Lenden. Er hatte niemandem – nicht einmal seinem Beichtvater – eingestanden, was für einen außerordentlichen erotischen Nervenkitzel ihm dieses In-die-Luft-geschleudert-Werden verschaffte. Wenn er schon niemals eine Frau haben konnte, so hatte er doch wenigstens das hier . Und als ihn die Luft umspülte, sah er Grace Bigods Gesicht vor seinem geistigen Auge, elegant, kalt, höhnisch grinsend.
    Die Armbrust lief bereits aus, aber sie hatte James für das, was er vorhatte, hoch genug hinaufgetragen. Er musste sich beeilen. Er zog an Schnüren, um die
Armbrust wieder zu spannen und die gestreckten Schwingen mit geschlossenen und übereinander geschichteten Federn zu arretieren. Dann beugte er sich grunzend mit einiger Anstrengung vor, und das Ledergeschirr, in das er geschnallt war, drehte sich, sodass er bäuchlings unter den Schwingen hing.
    Er glitt vorwärts, die Schwingen so starr wie die einer dahinsegelnden Möwe. Natürlich fiel er, fiel wie ein welkes Blatt. Aber er würde das Schlachtfeld wohl erreichen, und das genügte ihm zur Erfüllung seiner Aufgabe.
    Er schaute auf das zerstörte Dorf

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