Die Zeit-Verschwoerung 3 Navigator - Roman
stimmt’s, mein Junge? Das erkenne ich an deinen runden Augen.«
»Einen Ort wie diesen habe ich noch nie gesehen«, platzte Robert heraus.
»Natürlich nicht. Schön, nicht wahr? Und vor der fitnah – damit meine ich die Turbulenzen, den Niedergang des Kalifats – war es hier noch viel schöner. Ich bin entschlossen, alles so weit wie möglich wiederherzustellen, bevor die Erinnerung daran verloren geht.
Diese Architektur hat keine Ähnlichkeit mit der euren, die ihr von den Römern geerbt habt oder die eure Vorfahren aus den germanischen Sümpfen mitgebracht haben. Meine Vorfahren waren Menschen des Ostens, der Sonne, der Wüste. Sie sind nur ein Jahrhundert nach dem Tod des Propheten nach Spanien gekommen. Zuvor waren sie Nomaden gewesen, die in Zelten wohnten! Und das spiegelt sich in ihrer Architektur. Betrachte diesen Raum als ein prächtiges Zelt aus Stein. Wenn wir geschäftliche Dinge zu regeln haben, setzen wir uns auf den Fußboden oder lehnen uns an die Wände – deshalb sind sie bis zu deinen Schultern gefliest. Die Bogen lassen das Licht und die Wärme der Welt herein. Und in den Innenhöfen plätschert Wasser, dem wir große Wertschätzung entgegenbringen, denn in der Wüste ist Wasser die allerkostbarste Substanz.« Er seufzte. »Eines Tages, wenn auch vielleicht nicht mehr zu meinen Lebzeiten, wird es hier wieder so sein wie damals.«
»Aber die Christen sind jetzt stark«, wandte Orm milde ein.
Ibn Tufayl winkte ab. »Ich will euch die Wahrheit über die Christen in al-Andalus erzählen. Habt ihr von den Märtyrern von Córdoba gehört? Christen sind hier immer geduldet worden, weil ihr dhimmis seid, Leute des Buches, wie die Juden. Aber diese ›Märtyrer‹ – rund fünfzig Personen – begannen, die Autoritäten in Frage zu stellen und den Islam zu beleidigen. Am Ende bekamen sie, was sie wollten: einen ruhmreichen öffentlichen Tod. Solche opferbereiten Idealisten werden in den christlichen Klöstern ausgebildet, die wir auch weiterhin auf unserem Gebiet dulden: Brutstätten der Gewalt, aus denen bösartige Geistliche und extreme Hasspredigten kommen. So ist es, wenn eine minderwertige Zivilisation – die eure – auf eine höhere – die unsere – trifft. Eure einzige Waffe ist euer schäbiges kleines Leben. Aber diese Angriffe sind Nadelstiche. Nichts.«
»Ich würde den Verlust von Toledo nicht gerade als Nadelstich bezeichnen«, entgegnete Orm.
Ibn Tufayl lächelte. »Das ist ein Rückschlag. Mehr nicht. Man spricht davon, Hilfe aus den Gebieten jenseits der Meerenge herbeizuholen. Im Maghreb gibt es eine neue Bewegung, die Almoraviden. Wilde, starke Muslimkrieger. Es wird nicht lange dauern, bis die alte Stadt in den Händen eines Emirs ist und der Ruf des Muezzins wieder über die Dächer schallt.«
»Wir werden sehen«, sagte Robert und funkelte den Wesir böse an, aber der lachte nur über ihn.
Nachdem das Gespräch noch eine Weile so weitergegangen war und Ibn Tufayl Orm über diverse Aspekte der »Lebensweise und Kriegsführung der Wikinger«, wie er es nannte, ausgefragt hatte, endete die kleine Zusammenkunft. Sie wurden alle entlassen, außer Sihtric, der meinte, er habe mit dem Wesir noch geschäftliche Angelegenheiten zu besprechen.
»Ich wüsste gern, was für ›geschäftliche Angelegenheiten‹ das sind«, sagte Orm leise zu Robert.
»Ich glaube nicht, dass ich diesem Wesir vertrauen würde«, erwiderte Robert. »Sein Atem hat nach Wein gerochen. Muslime trinken doch keinen Alkohol.«
»Nein, tun sie nicht. Oder sollen sie nicht. Dieser Wesir ist mir nicht ganz geheuer. Und ich wüsste gern mehr über seine Beziehung zu Sihtric. Womit hat Sihtric ihn in der Hand?« Orm seufzte. »Es war wohl töricht zu glauben, dass irgendetwas an all dem einfach sein würde. Sihtric ist ein komplizierter Mensch, und dies ist ein komplizierter Ort.«
»Aber du wirst trotzdem versuchen, die Angelegenheit mit Sihtric zu regeln?«
»Ich glaube, das muss ich. Ich werde hier auf Sihtric warten. Was hast du jetzt vor?«
Robert grinste. »Ich reite mit Moraima zur Stadt zurück.«
Orm nickte. »Dachte ich mir. Aber sei vorsichtig.«
»Mein Arm ist stark.«
»Aber nicht dein Herz – nicht stärker, als meines es jemals war. Sei auf der Hut, mein Sohn.«
IX
»Zieh die Stiefel aus«, flüsterte Moraima.
Sie standen im ummauerten Hof von Córdobas größter Moschee – dem Hof der Orangenbäume, wie Moraima ihn nannte. Hier wimmelte es von Gläubigen, die sich
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