Die Zeit-Verschwoerung 3 Navigator - Roman
in den Brunnen wuschen, bevor sie die Moschee betraten.
Robert lugte nervös durch eine schmale Tür in einen Innenraum voller Schatten und Säulen. »Bist du sicher? Das ist eine Moschee – und ich bin Christ …«
»Aber Jesus wird in unserer Theologie verehrt. Er war ein großer Prophet. Natürlich darf ein Christ eine Moschee betreten.«
»Außerdem ist die Moschee das prächtigste religiöse Bauwerk von ganz al-Andalus«, sagte ein Junge, der sich ihnen näherte. »Du musst sie sehen, bevor du kommst, um uns zu bezwingen, Christ.«
Und ein zweiter Junge sagte: »Hauptsache, du schreist im Mihrab nicht: ›Jesus Christus, der König!‹, dann ist alles in Ordnung.«
Die beiden waren ungefähr in Moraimas Alter, vielleicht ein oder zwei Jahre älter als Robert. Sie waren schlank und dunkel und trugen bunte Kleidung – zwei gesunde, gelenkige, nicht besonders gut aussehende
Jungen, die jedoch intelligent, gut gelaunt und selbstbewusst wirkten. Sie sprachen sogar ein flüssiges Latein. Und sie hatten eine Aura von Reichtum, von unbekümmertem Wohlstand. Ihnen gegenüber kam Robert sich dumm und tölpelhaft vor, wie ein Erdklumpen.
»Das sind meine Freunde«, sagte Moraima. »Ghalib. Hisham.« Robert hätte sich nicht gemerkt, wer welcher war, wenn Ghalib nicht einen leuchtend roten Turban getragen hätte. Sie seien Söhne von Höflingen, die Ibn Tufayl dienten, erklärte sie.
»Ich wusste nicht, dass wir Gesellschaft haben würden«, sagte Robert und gab sich dabei alle Mühe, nicht enttäuscht zu klingen.
Die Jungen merkten es und grinsten. Aber was hatte er erwartet? Natürlich hatte Moraima hier Freunde; natürlich führte sie ein eigenes Leben, das nichts mit ihm zu tun hatte.
»Ach, komm schon, Robert«, sagte sie. »Ich dachte, du würdest gern neue Leute treffen. Und sie wollten dich unbedingt kennenlernen. Hisham studiert Philosophie, und Ghalib will Astronom werden, wie sein Vater.«
»Astronom .« Ghalib sprach das Wort langsam und überdeutlich aus. »Davon gibt’s in England wohl nicht viele, was?«
»Schreib es ihm lieber auf«, sagte Hisham. »Ach, ich vergaß. In England könnt ihr ja auch nicht lesen, stimmt’s? Also, was machst du, englischer Robert?«
»Es gibt nur zwei Berufe in England«, warf Ghalib ein. »Bauer und Hure.«
»Pass auf, was du sagst, du kleiner Schönling«, erwiderte Robert schmallippig. »Meine Mutter war Engländerin.«
»Und was für einen Pflug hat sie gelenkt?«
Moraima trat hastig zwischen sie. »Das reicht. Ihr benehmt euch kindisch – wie alle Männer! Kommt, gehen wir in die Moschee. Und verhaltet euch respektvoll.«
Also betrat Robert die große Moschee, mit Moraima an seiner Seite. Der Steinboden unter seinen bloßen Füßen war kalt, und hinter ihm kicherten die Jungen.
Doch in den stillen Räumen der Moschee vergaß er die beiden bald gänzlich.
Es war, als gehe man in einen Wald aus schmalen Pfeilern hinein, die durch Bogen, so zart wie Palmwedel, miteinander verbunden waren. Moraima sagte, allein in diesem einen Gebäude gebe es über tausend Pfeiler. Überall liefen Leute herum, respektvoll und barfuß. Kein Priester – oder vielmehr Imam – war zu sehen. Das Gebäude war voller Licht, das durch Fenster und Türbogen hereinfiel und durch die Spiegelung im Stein golden gefärbt wurde. Wohin er auch schaute, überall lenkten die Linien der Säulen seinen Blick tiefer ins Innere, bis er auf Wände traf, die mit Inschriften in schöner kufischer Schrift verziert waren – Worte, die er nicht lesen konnte, die jedoch die Gläubigen ermahnten, ihr Herz zu Allah zu erheben.
Er war dankbar, als Moraimas Hand in seine glitt,
denn er hatte das Gefühl, dass er gleich die Orientierung verlieren würde.
»Was denkst du?«, fragte Moraima leise.
»Dass sie schön ist, eure Moschee«, sagte er. »Und dass ich sie nicht verstehe. Dasselbe könnte ich natürlich auch über dich sagen.«
Sie ignorierte das unbeholfene Kompliment. »So schwer ist das gar nicht. Es gibt eine Zentralachse, die zum Mihrab führt. Der ist nach Mekka ausgerichtet; dort ruft der Imam die Gläubigen zum Freitagsgebet. Aber man kann beten, wo man will. Die Priester reden einem nicht drein. Mein Vater sagt, es sei eine ›andere Geometrie der Gottesanbetung‹ als bei den Christen.«
»Hier sieht es vollkommen anders aus als in einer christlichen Kirche.«
»Ja, das stimmt. Die Christen erbauen ihre Kirchen nach dem Modell der alten römischen Basiliken. Das sagt
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