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Die Zeit-Verschwoerung 3 Navigator - Roman

Die Zeit-Verschwoerung 3 Navigator - Roman

Titel: Die Zeit-Verschwoerung 3 Navigator - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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wusste, dass dies nichts als Fantastereien waren. Er ermutigte die Leute, die Besitzurkunden für ihre Häuser einzupacken, die Türen zu verschließen und die Schlüssel mitzunehmen. Das erlaubte es zumindest einigen dieser verzweifelten neuen Armen, mit ihren Bündeln auf dem Kopf und den als Ausdruck ihrer Rückkehrabsicht sorgfältig in ihren Djellabas verstauten Urkunden stolz vondannen zu ziehen. Andere waren jedoch fest entschlossen, zu bleiben und den Christen zu trotzen, komme, was da wolle. Oftmals konnte Ibrahim nur weiterziehen.
    Wenn einige nicht weggehen wollten, so konnten es viele andere einfach nicht, weil sie zu krank, zu jung, zu alt waren oder zu sehr unter der langen Belagerung gelitten hatten. Darum organisierte Ibrahim Flüchtlingsgruppen, die vielleicht ein paar dieser Schwachen mitnehmen konnten. Außerdem versuchte er, so große Gruppen zusammenzustellen, dass sie den Überfällen der Banditen draußen im Land zu trotzen vermochten.
    Und zugleich mit all dem hatte Ibrahim auch noch dafür Sorge zu tragen, dass das Leben in der Stadt weiterging. Auch in diesem letzten Monat mussten die Menschen noch essen und trinken, Abwässer mussten entsorgt, Brände unter Kontrolle gebracht, Krankheitsausbrüche
eingedämmt werden. Ibn Shaprut erklärte ihm, es sei, als betreue man einen Sterbenden, lauter profane Kleinigkeiten und ein stetiger Abstieg, dazu das schreckliche Wissen, dass das endgültige Ende nahe war.
    Als Fernandos Stichtag schließlich näher rückte, verließen etliche Bewohner die Stadt einfach zu Fuß durch die Tore im Süden und Osten. Sie waren Städter, die nicht einmal größere Spaziergänge gewohnt waren, und viele von ihnen luden sich zu Beginn ihrer Flucht eine zu große Last auf. Manche versuchten sogar, kostbare Möbelstücke, ja selbst Teppiche mitzunehmen. Dann sah man, wie sie diese Bündel nach ein paar hundert Schritten fallen ließen, wenn die raue Landschaft rasch ihren Tribut forderte.
    Zehntausend Menschen verließen die Stadt und verschwanden auf den Ebenen des Südens. Auf dem Höhepunkt der Fluchtbewegung boten sie einen erstaunlichen Anblick; sie färbten die nach Süden führenden Straßen schwarz.
    Als sie fort waren, sah man in einer Stadtlandschaft aus glänzenden Kuppeln und Minaretten bei Nacht nur noch hier und dort ein Licht flackern, und die einzigen Geräusche waren das Klirren von splitterndem Glas, betrunkenes Gelächter, hin und wieder ein Schrei und die gläubigen Rufe des Muezzins. Ibrahim hatte das bedrückende Gefühl, das Ende eines großen Abschnitts der Geschichte mitzuerleben.
    Dann kam die letzte Woche, der letzte Tag.
    Und am Morgen des einundzwanzigsten Dezembers,
dem letzten Morgen des maurischen Sevilla, ging Ibrahim mit Ibn Shaprut an seiner Seite ein letztes Mal durch die leeren Straßen. Zurückgelassene Bündel lagen auf dem Pflaster herum. Sie sahen einen klapperdürren Hund, der an einem Paket schnüffelte und nach Nahrung suchte.
    »Erstaunlich«, sagte Ibn Shaprut. »Ich dachte, die Hunde wären alle gegessen worden.«
    »Offenbar sind sie geschickter darin als wir, sich zu verstecken. Hoffentlich gelingt es ihnen auch, sich als Christen auszugeben.« Ibrahim streckte die Hand nach dem Hund aus, aber dieser glaubte, er wolle ihm das Futter wegnehmen, und floh.
    Ibn Shaprut hob eine Hand. »Horch. Hörst du das?«
    Ibrahim vernahm ein leises Weinen, so leise, dass sie es nicht gehört hätten, wenn es in der Stadt nicht so vollkommen still gewesen wäre. Sie folgten dem Geräusch, gingen eine Straße entlang und traten durch einen Torbogen in einen kleinen, überwucherten Innenhof.
    Umgeben von Grün, saß ein Mädchen auf einer Steinbank und wiegte ein Kind in einem schmutzigen Tuch in den Armen.
    Ibn Shaprut näherte sich dem Mädchen. Als er sie an der Schulter berührte, zuckte sie zusammen, aber der Arzt hatte eine beruhigende Art. »Schon gut. Noch sind keine Christen hier. Zeig mir dein Kind. Ich bin Arzt. Vielleicht kann ich ihm helfen.«
    Allmählich entspannte sie sich. Ihr Gesicht war tränenüberströmt. Sie wollte das Kind nicht loslassen,
hielt es Ibn Shaprut aber hin, sodass er es untersuchen konnte. Ibrahim wusste nichts über den Gesundheitszustand von Kindern, aber es war wach, seine Augen blickten aufmerksam, und es schien Ibn Shaprut anzulächeln; ihm konnte nicht viel fehlen.
    Ibrahim glaubte das Mädchen zu erkennen. »Du bist doch Obona. Dieser Betrüger Ali Gurdu hat dich des Diebstahls

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